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Radiologie als Rhythmusgeber der Medizin Interview mit Prof. Dr. Heinz-Peter Schlemmer

von Fatih Seker


Prof. Dr. Heinz-Peter Schlemmer, DKFZ HeidelbergHerr Professor Heinz-Peter Schlemmer ist Leiter der Abteilung für Radiologie und Sprecher des Forschungsschwerpunktes „Bildgebung und Radioonkologie“ am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Als W3-Professor für radiodiagnostische Onkologie liegen seine wissenschaftlichen Schwerpunkte auf der Bildgebung bei onkologischen Patienten. Im Auftrag der Deutschen Röntgengesellschaft baut Herr Professor Schlemmer derzeit die Arbeitsgemeinschaft Onkologische Bildgebung auf, um die Kooperation der radiologischen Krebsforschung in Deutschland zu fördern.

 

Herr Professor Schlemmer, was fasziniert Sie an der Radiologie?

Die Radiologie fasziniert mich, weil sie als Querschnittsfach alle medizinischen Disziplinen verbindet. Mich begeistert die Visualisierung des menschlichen Körpers, der Körperfunktionen und der pathologischen Prozesse. Radiologie vereint in sich Fächer wie Medizin, Technologie, Biologie, Chemie und Physik.

Bevor ich in die Medizin eingestiegen bin, habe ich Physik studiert und wollte ursprünglich Astrophysiker werden. Als ich aber die Anfänge der Magnetresonanztomographie erlebte, war ich so fasziniert von dieser neuen Technologie, dass ich mich danach für ein weiteres Medizinstudium entschied. So bin ich in die Radiologie eingestiegen.

Neben meiner radiologischen Tätigkeit bin ich aber auch leidenschaftlicher Schlagzeuger. Zwischen einem Radiologen und einem Schlagzeuger gibt es eine interessante Gemeinsamkeit: Ein Schlagzeuger einer Musikband spielt seine Musik zentral, aber im Hintergrund und fällt während einer Aufführung kaum auf. Sobald das Schlagzeug aber inmitten eines Liedes kurz aussetzt, wird das sofort vom Zuhörer registriert. Der Schlagzeuger ist nämlich der Rhythmusgeber einer Band. Und genau so eine zentrale Rolle hat auch der Radiologe in der Medizin.

Während meiner Tätigkeit im Institut für Klinische Radiologie am Klinikum Mannheim sagte der damalige Chefarzt Professor Georgi etwas, was ich niemals vergessen werde: „Die Radiologie wurde schon immer kritisiert, aber ohne sie läuft nichts.“ In der Tat hat unser Fach maßgeblichen Einfluss auf die Therapie.


Sie waren nicht nur im Klinikum Mannheim tätig, sondern auch an den Universitätskliniken Heidelberg und Tübingen und kennen somit die Forschung am Universitätsklinikum. Was zeichnet die radiologische Forschung am DKFZ gegenüber der radiologischen Forschung am Universitätsklinikum aus?

Die Nähe zu Grundlagenwissenschaften wie der medizinischen Physik und den Biowissenschaften. Die räumliche Nähe und der intensive Kontakt zu Grundlagenwissenschaftlern und zur Industrie erlaubt uns vielfältige Forschung zu betreiben.

Im Unterschied zur Universitätsklinik liegt der Fokus bei uns auf der Methodenentwicklung. Unikliniken wiederum befassen sich eher mit deren Evaluierung in großen Patientenstudien. Der Schritt von der Entwicklung zur Validierung, die sogenannte Translation, ist ausschlaggebend für eine erfolgreiche patientenorientierte Forschung. Eine Kooperation mit Universitätskliniken ist uns deswegen sehr wichtig.

Ein großer Unterschied zu unseren Kollegen am Uniklinikum ist auch, dass wir mehr Zeit haben Forschung zu betreiben, weil wir nicht in die Akutversorgung von Patienten involviert sind. Dies gibt uns den nötigen Freiraum für die Forschung. Diesen Freiraum können wir nicht nur nutzen, um erhobene Daten aus Studien und radiologische Bilder auszuwerten, sondern auch um die Verfahren, die wir zur Forschung einsetzen, genauer zu analysieren und zu verstehen.


Welche weiteren Forschungsmöglichkeiten haben Ärzte in der Radiologie des DKFZ, die an einer Uniklinik so nicht geboten werden?

Viele radiologische Universitätsabteilungen sind heutzutage mit hochmodernen Geräten ausgestattet. Aber auch nicht jede Abteilung hat beispielsweise ein PET-CT und PET-MRT zu Verfügung, wie wir sie haben.

Wie bereits erwähnt haben Sie bei uns die Möglichkeit, zeitintensive Forschungskonzepte auszuarbeiten, ohne dass Sie dafür bis spät in die Nacht arbeiten müssen. Außerdem haben wir gute Kooperationen mit Grundlagenwissenschaftlern, was uns innovativere Forschungsarbeiten ermöglicht.

Des Weiteren habe ich die Weiterbildungsberechtigung für 42 Monate im Fach Radiologie. Das bedeutet, dass Sie dreieinhalb Jahre ihrer Facharztweiterbildung am DKFZ absolvieren und ihrer Forschung nachgehen können. Für eine Vervollständigung Ihrer Facharztweiterbildung besteht problemlos die Möglichkeit in andere Kliniken zu rotieren.


Besteht auch die Möglichkeit für Assistenzärzte, die bspw. an der Universitätsklinik Heidelberg oder Mannheim ihre Facharztweiterbildung durchlaufen, parallel zu ihrer klinischen Tätigkeit am DKFZ zu forschen?

Selbstverständlich. In Absprache mit dem jeweiligen Chefarzt des Assistenzarztes ist eine wissenschaftliche Tätigkeit am DKFZ problemlos möglich. Hierfür können Sie als sogenannter Mitarbeiter ohne Vergütung am DKFZ forschen. Die Assistenzärzte arbeiten dabei weiterhin an ihrer jeweiligen Klinik und haben für ihre wissenschaftliche Tätigkeit vollständigen Zugang zu allen Infrastrukturen der radiologischen Abteilung am DKFZ. Für eine Forschung in Kooperation mit anderen Abteilungen sind wir stets offen.


Welche Möglichkeiten bietet das DKFZ Medizinstudenten, die zu einem radiologischen Thema promovieren möchten?

Im Rahmen der laufenden Projekte unserer Abteilung stehen Medizinstudenten alle Möglichkeiten zur Promotion offen. Da wir insbesondere anwedungsbezogene Patientenstudien durchführen, können Sie bei uns verschiedenste bildgebende Verfahren wie Ultraschall, CT, MRT und PET-MRT kennenlernen. Unter Anleitung besteht auch die Möglichkeit, die praktische Handhabung und Bedienung der Geräte zu erlernen. Dafür bieten wir Ihnen entsprechende Freiräume. Bei uns lautet das Motto: „Hier soll der Geist leben.“ Interessierte Studenten können gerne den jeweiligen Oberarzt meiner Abteilung oder mich persönlich per Email kontaktieren.


Herr Professor Schlemmer, Sie haben die ausgeprägte Kooperation Ihrer Abteilung mit anderen Abteilungen des DKFZ betont. Welche Rolle hat die Radiologische Abteilung innerhalb des gesamten DKFZ?

Als radiologische Abteilung haben wir im DKFZ eine zentrale Rolle: Mit dem Schwerpunkt Radioonkologie sind wir die einzige Abteilung des DKFZ, die Patientin behandelt. Dementsprechend ist auch unsere Forschung patientennah ausgerichtet und zielt auf eine Translation unserer Forschungsergebnisse ab.

Ich persönlich lasse mich gerne auch von der Forschung anderer Wissenschaftler inspirieren. Ein Kollege einer anderen Abteilung des DKFZ hat beispielsweise ein 3D-Elektronenmikroskop erworben. Damit erhalten Sie Schicht für Schicht Einblick in eine menschliche Zelle. Das hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem CT! Kontakt zu solchen Abteilungen gibt uns hervorragende Möglichkeiten zur Kooperation.


Und wie sieht die wissenschaftliche und klinische Kooperation mit anderen Instituten und Kliniken aus?

Intensive Kooperationen bestehen mit der Universitätsklinik Heidelberg. Regelmäßig rotieren Assistenzärzte aus der Radiologie und Neuroradiologie des Uniklinikums in unsere Abteilung. Darüber hinaus arbeiten wir aber auch mit dem Helmholtz-Zentrum in Dresden und dem Nationalen Zentrum für Strahlenforschung zusammen. Ein gemeinsames Themengebiet ist dabei die biologische Wirkung von Strahlung.

Auf internationale Ebene kooperieren wir unter anderem mit dem renommierten MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas/USA. Kontakte bestehen auch nach Shenyang in China und Santiago de Chile. Bei unseren internationalen Projekten legen wir besonderen Wert auf die Übertragung von Methoden, die wir in unserer Abteilung entwickelt haben, in andere Länder. Selbstverständlich besteht dich Möglichkeit eines Auslandsaufenthaltes im Rahmen dieser Kooperationen.


Abschließend möchten wir Ihnen eine Frage zur Zukunft der Radiologie stellen: Welche Themen werden uns in der Radiologie aus klinischer und wissenschaftlicher Sicht die nächsten Jahre beschäftigen?

Eine zentrale Rolle wird die klinische Bedeutung und Wertigkeit der Methoden der Schnittbilddiagnostik haben, die wir im radiologischen Alltag einsetzen. Wir werden uns die Frage stellen, welche radiologischen Verfahren wirklich einen Benefit für unsere Patienten bedeuten könnten.

Neben dieser wissenschaftlichen Entwicklung, werden wir Radiologen eine größere Rolle im Behandlungskonzept unseren Patienten einnehmen. Überhaupt müssen wir unsere ärztliche Rolle stärker wahrnehmen. Um dem Anspruch der komplexen klinischen Fragestellungen gerecht zu werden, wird es außerdem eine zunehmende Subspezialisierung geben, wie zum Beispiel der onkologischen Radiologie, was wiederum Vor- und Nachteile hat. Dies wird mit Sicherheit eine berufspolitische Herausforderung.

Vielen Dank für das Interview!

 

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