Studieren und Arbeiten im Ausland – die FAQ gesammelte Tipps und Empfehlungen aus der Studentensession beim 94. Deutschen Röntgenkongress
von Dr. med. Diane Renz, Charité Berlin
Am Donnerstag, den 30. Mai 2013, fand die Session „Studieren & Arbeiten im Ausland“ auf dem Deutschen Röntgenkongress im Rahmen des Hellste-Köpfe-Programms statt. Unter dem Vorsitz von Dr. Diane Renz (Charité Berlin) wurde die Session das erste Mal angeboten - mit durchweg positiver Resonanz!
Als Einführung erläuterte Herr Prof. Dr. Ulf Teichgräber, frisch berufener Ordinarius für Radiologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die Bedeutung von Auslandsaufenthalten für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn – anhand von Beispielen seiner Vita, die geprägt ist von zahlreichen Aufenthalten vor allem im englischsprachigen Raum.
Anschließend hielt Herr Prof. Dr. Klaus Sartor – ein Wegbereiter der Neuroradiologie in Deutschland und diesjährig ernanntes Ehrenmitglied der Deutschen Röntgengesellschaft – seinen Highlight-Vortrag mit dem Titel: „Blick zurück nach vorn: Reminiszenzen an die Entwicklung der Neuroradiologie und Lehren aus einem unorthodoxen Werdegang“. In der außerordentlichen Karriere von Prof. Sartor spielen Auslandsaufenthalte in den U.S.A. eine entscheidende Rolle; unter anderem war er von 1983 bis 1989 Professor of Radiology / Neuroradiology in St. Louis.
Nach den interessanten Erinnerungen an ein facettenreiches Berufsleben von Prof. Sartor stellte der in Brasilien geborene Christian Fischer Sille, Medizinstudent aus Greifswald, die Famulaturbörse der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (BVMD) vor; Christian Fischer Sille ist einer der beiden Bundeskoordinatoren für den Famulantenaustausch der BVMD.
Anschließend folgten drei ausgesprochen interessante Erlebnisberichte mit vielen hilfreichen Tipps und Anregungen:
Zunächst berichtete Herr PD Dr. Gerd Diederichs, Oberarzt am Institut für Radiologie der Charité, von seinem erfolgreichen und wissenschaftlich hocheffektiven Forschungsaufenthalt in San Francisco. Interessante Unterschiede zwischen dem chinesischen und deutschen Gesundheitswesen erläuterte Frau Dr. Vera Fröling (Charité Berlin), die ein PJ-Tertial im Zheijang Hospital Huangzouh in China absolviert hatte.
Zum Schluss rundete ein Bericht aus der anderen Perspektive die Veranstaltung ab: Der aus Rom stammende Herr Dr. Federico Collettini, Assistenzarzt an der Berliner Charité, lobte die deutsche Facharztausbildung und insbesondere die hervorragenden Forschungsmöglichkeiten hierzulande (siehe auch Interview mit Dr. Federico Collettini).
Erfahrungen, Ratschläge, Beispiele und hilfreiche Tipps – davon gab es natürlich jede Menge in dieser Veranstaltung. Für alle, die nicht so schnell mitschreiben konnten, hat Dr. Diane Renz die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt:
Wann ist der beste Zeitpunkt für einen Auslandsaufenthalt für Mediziner?
Den einzigen, optimalen Zeitpunkt für einen Auslandsaufenthalt gibt es nicht. Prinzipiell existieren zahlreiche, stetig wachsende Angebote für Medizinstudenten, Assistenzärzte, aber auch Fachärzte, ihre gesamte oder einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland zu absolvieren bzw. dort zu arbeiten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zieht es immer mehr deutsche Studenten ins Ausland; so waren im Jahre 2010 knapp 127.000 deutsche Studentinnen und Studenten an einer ausländischen Universität eingeschrieben. Dabei ist die Humanmedizin ein beliebtes Fach für ein Auslandsstudium, mitbedingt durch den hohen Numerus Clausus hierzulande. Aber auch weit mehr als die Hälfte der in Deutschland immatrikulierten Medizinstudierenden absolviert einen Ausbildungsabschnitt im Ausland, seien es ein oder zwei Semester, eine Famulatur oder ein Teil ihres Praktischen Jahres (PJs) – Tendenz steigend.
Welche Möglichkeiten für einen Auslandsaufenthalt gibt es für Mediziner?
Neben den klassischen Auslandssemestern, Famulaturen und PJ-Tertialen im Ausland ist ein Forschungsaufenthalt eine interessante und für die Karriere durchaus förderliche Alternative. Assistenzärzte können in der Regel einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland absolvieren – sei es durch eigene Initiative oder im Rahmen von speziellen Programmen oder spezifischen Kontakten der Ausbildungsklinik mit ausländischen Krankenhäusern. Fachärzte können in der Regel problemlos im Ausland arbeiten; der deutsche Facharzt für Radiologie wird in den meisten Ländern anerkannt. Eine interessante Möglichkeit für einen Auslandsaufenthalt für Mediziner ist auch ein Zweit- oder Aufbaustudium zu absolvieren, etwa einen „Master of Health Business Administration“ (MHBA).
Welchen Benefit bringt mir der Auslandsaufenthalt?
Neben den erlernten Sprachkenntnissen können Sie vor allem auch wichtige Erfahrungen in den so genannten „soft skills“ sammeln, wie Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit oder Belastbarkeit. Für radiologische Assistenzärzte und Fachärzte kann der Auslandsaufenthalt eine Möglichkeit darstellen, sich bei einer / einem international hoch angesehenen Expertin / Experten eines bestimmten Gebietes weiterzubilden. Besonders positiv hervorzuheben sind die hervorragenden Forschungsmöglichkeiten etwa in den U.S.A. oder Kanada; die dort gesammelten Daten können anschließend auch von Deutschland aus in hochrangigen wissenschaftlichen Journals publiziert werden. Vielleicht ergeben sich durch den Auslandsaufenthalt längerfristige, internationale Forschungskooperationen, die später von Deutschland aus vertieft werden können. In einer Umfrage der Zeitschrift „Via medici“ gaben von 200 befragten Chefärzten 71,9% an, dass sie Auslandsaufenthalte generell (egal in welchem Land) bei potenziellen Bewerbern als extrem wichtig bzw. sehr wichtig bewerten.
Wie finde ich die geeignete Stelle für Studium, Famulatur oder PJ-Tertial?
Für eine erste Recherche hervorragend geeignet ist das Internetportal der soeben erwähnten Zeitschrift „Via medici“. Auf dieser Internetseite finden Sie – hervorragend strukturiert – unzählige Infos und Erfahrungsberichte über Medizinstudium, Famulatur und PJ im Ausland für nahezu 70 Länder.
Hilfreiche Tipps und weitere Erfahrungsberichte bietet auch die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (BVMD) auf ihrer Internetseite an. Neben dem beliebten Famulantenaustausch gibt es auch die Möglichkeit für Medizinstudenten, ein Forschungspraktikum oder ein Praktikum in der Entwicklungszusammenarbeit im Ausland durch die BVMD zu absolvieren. Viele weitere Internetportale bieten hilfreiche Tipps und Anregungen für Interessierte, beispielsweise medizinernachwuchs.de oder studis-online.de, um nur einige wenige zu nennen.
Eine individuelle Beratung können Sie in den medizinischen Fachschaften vor Ort, über die speziellen Austausch- und Stipendienprogramme an Ihrer Universität in den jeweiligen Auslandsbüros oder auch über den Marburger Bund erhalten. Die Botschaften, vor allem auch die Amerika-Häuser vor Ort, können ebenfalls wichtige Informationen und ggf. eine persönliche Beratung liefern.
Wie bewerbe ich mich am besten für Studium, Famulatur oder PJ?
Für ein Auslandssemester bieten sich die speziellen Programme der jeweiligen Universitäten (häufig inklusive Stipendien) an. Eine Bewerbung bei dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) ist ebenfalls empfehlenswert, denn er hat insgesamt 250 Förderprogramme für Studien-, Lehr- oder Forschungsaufenthalte im Ausland im Angebot.
Für Famulaturen im Ausland ist eine Bewerbung bei der BVMD besonders positiv hervorzuheben; über ihren Famulantenaustausch entsendet die BVMD jedes Jahr etwa 300 in Deutschland immatrikulierte Medizinstudenten in bis zu 70 Länder auf der ganzen Welt. Neben der Famulaturstelle ist Unterkunft, Verpflegung und Kontakt zu einheimischen Medizinstudenten in dem Programm enthalten. Wichtig für eine erfolgreiche Vermittlung ist eine frühzeitige Bewerbung (mehr als ein halbes Jahr im Voraus) u.a. mit einem „Letter of Motivation“ und einem BVMD-Sprachzeugnis.
Für PJ-Tertiale im Ausland verfügen mehrere Heimatuniversitäten über spezielle Kontakte zu ausländischen Hochschulen. Teilweise ist es möglich, sich direkt an der Heimatuniversität für das PJ-Tertial im Ausland zu bewerben; auch hier ist ein Sprachzeugnis oft Voraussetzung. Viele Auslandsbüros oder medizinische Fachschaften besitzen zudem Listen mit Kliniken in verschiedenen Ländern, in denen bereits Studenten der jeweiligen Universität Famulaturen oder PJ-Tertiale erfolgreich absolviert haben. Initiativbewerbungen an die ausländischen Kliniken, an die jeweiligen Chefärzte eines bestimmten Fachgebietes gerichtet (oft genügt eine E-Mail mit Lebenslauf), sind ebenfalls erfolgversprechend. Es gibt auch professionelle Anbieter im Internet, die gegen Entgelt PJ-Tertiale im Ausland organisieren. Vor jeder Bewerbung ist es wichtig, sich an das jeweilige Landesprüfungsamt zu wenden. Alle Landesprüfungsämter halten eine Informationsbroschüre für das PJ im Ausland bereit; die hier aufgelisteten Länder werden später problemlos anerkannt.
Wie bewerbe ich mich am besten für einen Forschungsaufenthalt?
Wie bereits erwähnt, können Sie über die BVMD auch Forschungspraktika im Ausland absolvieren. Noch mehr als bei Famulaturen und PJ im Ausland bietet sich bei der Suche nach einer geeigneten Stelle die Eigeninitiative an. Vor der Bewerbung sollten Sie sich im Klaren sein, auf welchem Forschungsgebiet und mittels welcher Methodik (z.B. experimentelle oder klinische Studien) Sie wissenschaftlich tätig sein möchten. Wer welchen Forschungsschwerpunkt hat, können Sie neben Recherchen in der internationalen Literaturdatenbank PubMedline und Nachfragen bei deutschen Wissenschaftlern auf diesem Gebiet vor allem auch auf internationalen Kongressen erfahren, wo sich auch ein persönlicher Kontakt herstellen lässt. Stipendien für Forschungsaufenthalte im Ausland bieten vor allem der DAAD und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) an. Daneben existieren für bestimmte Länder oder Fachgebiete häufig auch spezielle Forschungsstipendien, für die Sie sich bewerben können.
Wie finde ich die geeignete Stelle als Assistenz- oder Facharzt?
Auch hier ist die Initiativbewerbung häufig am effizientesten. Neben den klassischen Bewerbungsunterlagen, wie Lebenslauf etc., sind „Letters of Recommendation“ hilfreich. Manche Klinikchefs besitzen persönliche Kontakte zu ausländischen Krankenhäusern und bieten dadurch die Möglichkeit eines begrenzten Auslandsaufenthaltes im Rahmen der Facharztausbildung.
Assistenzärzte müssen sich vor ihrem Auslandsaufenthalt bei der jeweiligen Landesärztekammer erkundigen, welche Zeiten und Länder im Rahmen ihrer Facharztausbildung anerkannt werden.
Für Fachärzte steht der Weg eines Fellowships zur Erlangung spezieller Kenntnisse (etwa in der kardialen oder muskuloskelettalen Bildgebung) offen. Klinische Fellowships können unter anderem in der Schweiz, in Kanada, in Neuseeland oder in Australien absolviert werden. Die Möglichkeit eines Research Fellowships gibt es auch in den U.S.A; klinisch praktizieren können in den U.S.A. nur Ärzte mit abgeschlossenem Amerikanischen Staatsexamen. Vor jeder ärztlichen Tätigkeit im Ausland ist es immens wichtig, sich detailliert um die häufig umfangreichen und gelegentlich lästigen Formalia zu kümmern, beispielsweise Anerkennung der Approbation, Berufserlaubnis, Berufshaftpflichtversicherung etc.
Welche Möglichkeiten gibt es für radiologisch interessierte Mediziner?
In der Radiologie sind vielfache Angebote für eine Famulatur oder ein PJ-Tertial im Ausland vorhanden. Etwaige Sprachbarrieren bei der Bildbefundung können durch medizinische Wörterbücher ausgeglichen werden. Vor allem in der molekularen Bildgebung und in der experimentellen Radiologie sind ausländische Forschungsaufenthalte erfolgversprechend. Die European Society of Radiology (ESR) bietet mehrere Möglichkeiten für Auslandsaufenthalte an, beispielsweise Stipendien für radiologische Assistenzärzte im Rahmen ihres Programms European School of Radiology (ESOR). Auch die Radiological Society of North America (RSNA) hat verschiedene internationale Fellowships, Programme und Stipendien im Angebot.
Wie kann ich mich auf den Auslandsaufenthalt vorbereiten?
Neben der Internetrecherche sind folgende Bücher zur Einführung empfehlenswert: von Daniel Gödde, Timur Sellmann und Chris O'Connell (Herausgeber): „Medizin im Ausland: Survival Guide für Famulatur und Praktikum“, und von Manfred Bausch: „Arzt und weg? Ärztliche Berufsperspektiven im Ausland“.
Um fachspezifische Sprachkenntnisse zu erlernen, bieten mehrere Universitäten, Volkshochschulen und Sprachschulen spezielle Kurse für Mediziner an. Die soeben erwähnten medizinischen Übersetzungsbücher sind für viele Sprachen verfügbar, beispielsweise auch für Portugiesisch, Norwegisch oder Russisch.
Insbesondere vor einer ärztlichen Tätigkeit in Klinik oder Forschung sind eine sorgfältige Planung und vorherige Absprachen mit den Vorgesetzten entscheidend. Für einen erfolgreichen Forschungsaufenthalt kann es von erheblichem Vorteil sein, sich vorab in das Forschungsthema zu vertiefen mit ggf. schon ersten Studien, sich mit den Voraussetzungen im Ausland bekannt zu machen und mit dem dortigen Vorgesetzten genaue Details abzusprechen (Art und Umfang der Forschungstätigkeit, Finanzierung des Projektes, Autorenreihenfolge der Publikationen etc.), so dass der Aufenthalt möglichst effizient genutzt werden kann.
Was kann ich von dem Auslandsaufenthalt mitnehmen?
Hoffentlich eine erfolgreiche und erlebnisreiche, schöne Zeit. Vielleicht auch einen kritischen Blick auf die Gesundheitssysteme anderer Länder. Sicherlich Lebenserfahrung und den einen oder anderen Verbesserungspunkt für Klinik und Forschung in der deutschen Medizin. Vielleicht aber auch die Erkenntnis, dass nicht alles in Deutschland so schlecht ist, wie vorher gedacht…
Links zum Thema „Studieren & Arbeiten im Ausland“:
https://www.thieme.de/viamedici/laender/karte.html
http://bvmd.de/ausland/
http://medizinernachwuchs.de/category/chancen-im-ausland
http://www.studis-online.de/Studieren/Auslandsstudium/
http://www.marburger-bund.de/mitgliederservice#auslandsberatung
https://www.daad.de/ausland/studieren/de/
https://www.daad.de/ausland/studieren/stipendium/de/70-stipendien-finden-und-bewerben/
http://www.dfg.de/foerderung/programme/einzelfoerderung/forschungsstipendien/
http://www.esor.org
http://www.rsna.org/International_Programs.aspx
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