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Das Expertenforum im August: Interventionelle Radiologie
Embolievermeidung bei Rekanalisation der AFS/AP

Sehr geehrter Herr Landwehr,

periphere Embolien nach Rekanalisationen der AFS und AP sind selten, aber durchaus aufwändig in der Beseitigung.

Gibt es Erfahrungen und Tipps in der Embolievermeidung bei der Durchführung der Ballon-PTA und Stentversorgung von Verschlüssen an AFS und AP unter Berücksichtigung der Verschlußlänge und der PTA-Dauer (abgesehen von der sorgsamen Intervention mit einer gewissen "Hochachtung" vor den Gefäßen und der periinterventionellen Heparinisierung) also z.B. nur Unterdilatation und nach Stentversorgung erst die PTA auf das reguläre Lumen etc.?

Mit besten Grüßen J.-P. Heyne
Diskussion erstellt von gelöschte Person am 19.08.2010 um 13:54 Uhr
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  • Sehr geehrter Herr Heyne,
    vielen Dank für diese wichtige Frage! Vorab: Klare Daten und Fakten oder sogar Guidelines gibt es hierzu nicht, so dass meine Antworten im Wesentlichen nicht ‚evidence based‘ sind, allerdings aus der praktischen Erfahrung stammen. Da auch unerfahrene Kollegen das Forum nutzen, antworte ich etwas ausführlicher.

    In der Tat ist das Thema Embolie nach PTA der A.femoralis superficialis bzw. der A.poplitea, aber auch der Beckenarterien, immer wieder relevant. Dabei ist die Genese einer Embolie entweder thrombembolisch oder ‚plaque-embolisch‘. Folgende praktische Punkte sind mir wichtig:

    - grundsätzlich PTA unter suffizienter Therapie mit einem Thrombozytenfunktionshemmer (Beginn schon bei Erstkontakt; in der Regel ASS mit 100 mg/Tag; möglichst lebenslang fortsetzen).

    - adäquate Antikoagulation bei PTA (Heparin 5000 IE; Gabe nach Platzierung der Schleuse bzw. unmittelbar nach der Entscheidung zur Intervention, wir injizieren immer direkt i.a.)

    -sauberes Arbeiten (Spülen und Wässern aller Drähte und Katheter; nach Schleusenplatzierung Aspiration des Schleuseninhaltes und Spülung mit NaCl-Lösung, im Rahmen eines Katheterwechsels ggf. wiederholen)

    - 'Respekt vor dem Gefäß', vorsichtiges taktiles intravasales Arbeiten

    - abschätzen, ob ein Verschluss ggf. frischer und damit ‚thrombembologen‘ ist; nicht selten sagt uns der Patient, wann ein Verschluss eingetreten ist (z.B. Verschlechterung der Gehstrecke), man muss nur danach fragen. Ggf. Lysetherapie oder Katheterthrombektomie erwägen (bei arteriosklerotischen AFS-Verschlüssen ist eine lokale Lyse auch noch nach 6 Monaten aussichtsreich), um die Thrombuslast zu reduzieren

    - primäre Stent-Implantation: Vordilatation ist nicht grundsätzlich erforderlich, wenn möglich erst Stent freisetzen, dann dilatieren, das hilft auch, mobileres Material abzudecken. Wenn Vordilatation eines AFS-Verschlusses (z.B. weil Stent-Trägersystem den Verschluss nicht passiert): unterdilatieren, Ballondurchmesser etwa 4 mm; nach Stentplatzierung auf geplantes Lumen nachdilatieren (z.B. 6 mm)

    - Besonderheiten bei Lysetherapien: PTT während der Lyse auf das 2,5 bis 3 fache anheben; bei Kontroll-Angio über den Lysekatheter nicht forciert anspritzen (kann Thromben mobilisieren, insbesondere bei großen Thrombusmengen z.B. in einem verschlossenen Bypass).

    Die Dauer der Ballon-Inflation bei PTA hat keinen bewiesenen Einfluss auf das Embolierisiko, wahrscheinlich nur auf die Rate relevanter Dissektionen (da gibt es aber auch keine harten Daten, wir inflatieren den Ballon in der AFS bei alleiniger Ballon-PTA 60 Sekunden; sicher ist nur, dass bei PTA-bedingter Dissektion durch eine prolongierte Dilatation eine Dissektionsmembran ggf. angelegt werden kann).

    Dennoch werden Sie trotz aller Vorsicht immer wieder Embolien sehen, die natürlich umso häufiger auftreten, je komplexer und länger die Läsion ist. Sie müssen also Embolektomie-Devices sowie Lysetechniken vorhalten und beherrschen. Embolieprotektion mit Filtern kann für normale AFS-Eingriffe nicht empfohlen werden, lediglich bei bestimmten Atherektomien sollte man einen Filter einsetzen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Peter Landwehr
    Peter Landwehr am 20. August 2010 um 17:25 Uhr
  • Sehr geehrter Herr Landwehr,

    vielen Dank für die ausführliche Antwort; eine umfassende Übersicht, die man so jedem jungen Interventionalisten ausgedruckt in die Hand geben kann.

    Vieles sind ja Erfahrungswerte, die man kaum in der Literatur findet und so ist es erfreulich, wenn Erfahrene eigenes Vorgehen bestätigen.

    Dennoch bleibt bei der Lokalisation AFS die Frage, ob man nach Literatur und Leitlinien immer erst dilatiert oder in bestimmten Fällen primär stentet, eben um periphere Embolien zu vermeiden. Man kann im Einzelfall eben keine Gegenprobe machen. Deshalb bitte noch mal die konkrete Frage:
    Würden Sie nach Ihrer Erfahrung bei Verschlüssen (ab wieviel cm ?) und bei potentiell thromboembologenen Stenosen (wenn keine Lyse möglich ist) eine primäre Stentimplantation (mit ggf. Unterdilatation, dann Stent und danach definitive Dilatation) an der AFS anstreben, um periphere Embolien zu vermeiden? Wenn ja, was wäre für Sie ein hartes Entscheidungskriterium?

    Was Interventionen im Zusammenhang mit einer Lyse angeht, habe ich es immer mit der „alten“ Literatur (Hess et al. ff.) gehalten, und immer erst 1 – 2 Tage nach Beendigung der rtPA-Lyse dilatiert, da der Nachlyseeffekt noch viel zum Positiven verändern kann und die frisch lysierte Läsion noch vulnerabel und thromboembologen ist. Dagegen drängt gerne der Überweiser, der den Patienten auf Normalstation verlegen will und dieser natürlich auch seine Schleuse entfernt haben möchte. Mit diesem Vorgehen kann ich auch auf keine thromboembologene Komplikation zurückblicken. Entspricht das auch Ihrer Einschätzung und Erfahrung oder halten Sie die PTA einer Reststenose (arteriosklerotisch oder häufig auch am Bypass) unmittelbar nach Beendigung einer Lyse für gerechtfertigt, da nicht höher thromboembologen als 1-2 Tage danach?

    Vielen Dank und beste Grüße Jens-Peter Heyne
    gelöschte Person am 23. August 2010 um 13:24 Uhr
  • Sehr geehrter Herr Heyne,

    gerne noch ein paar vertiefende Kommentare zum Thema AFS / Verschluss / Stent.

    Die Frage, wann man in der AFS nur dilatiert und wann stentet, ist in Leitlinien nicht im Detail festgelegt. Folgende knappe Empfehlungen kann ich aus Sicht der Literatur und der eigenen Erfahrungen zusammenfassen (Ausnahmen je nach Situation):

    - Bei schlechtem PTA-Ergebnis (Fluß behindernde Dissektion auch nach prolongierter Dilatation; elastische Rest-Stenose über 50%) selektives Stenting, unabhängig davon, ob es primär eine Stenose oder ein Verschluss war

    - Kurze chronische Verschlüsse (bis 3 cm): primäre PTA, nur selektives Stenting

    - Verschlüsse über 3 cm: primäres Stenting (in Anwendung der Daten der ABSOLUTE-Studie; s.u.), dann wie schon im Vor-Beitrag beschrieben nicht zwingend mit Vor-Dilatation.

    - Bei Stenosen erst Dilatation, nur selektives Stenting gemäß obiger Überlegungen.

    - Wenn Stent, dann ausschließlich selbstexpandierend.

    Zu dem Thema u.a. lesenswert: Schillinger M et al: Circulation 2007 (115) 2745-2749. Eine aktuelle COCHRANE-Analyse (Twine CP et al: Cochrane Database of Systematic Reviews 2009, Issue 2) kommt zum Ergebnis, dass der positive Stent-Effekt laut 8 analysierter Studien nur bis maximal 12, jedoch nicht nach 24 Monaten nachweisbar ist.


    Zur Frage ‚Wann PTA nach erfolgreicher Lyse‘: Natürlich gibt es den ‚Nachlyseeffekt‘, auch ich habe noch die Hess-Technik erlernt, natürlich gibt es auch mal Embolien bei unmittelbar nach Lyse durchgeführter PTA. De facto ist es aber so, dass Sie, wenn Sie erst einen Tag oder sogar später nach Ende der Lyse dilatieren wollen, auch mal Re-Verschlüsse erleben (z.B. bei sehr hochgradiger Stenose, bei schlechter Heparinisierung, bei schlechter Ausstrombahn). Wir führen die PTA immer direkt nach Lyse-Ende durch, müssen aber ab und an auch mal Emboli ‚fischen‘ oder superselektiv weiter lysieren. Bedenken Sie auch, dass Sie die Liegezeit der Patienten weiter verlängern, wenn Sie mit der PTA warten; oft sind es ja alte Patienten, und die Lyse stresst die Patienten doch erheblich. Zudem haben Sie einen erhöhten Überwachungsaufwand (solange ein arterieller Katheter liegt, sollten die Patienten nicht auf einer einfachen Normalstation liegen). In der Abwägung aller Überlegungen spricht also deutlich mehr für die sofortige PTA nach Beendigung der Lyse.

    Mit freundlichen Grüßen

    Peter Landwehr
    Peter Landwehr am 26. August 2010 um 05:12 Uhr