Endlich Assistenzärztin - Teil 2
Die Zeit verfliegt
Für unsere Korrespondentin Anne Schmitz steht schon lange fest, dass sie Radiologin werden möchte. Anfang Februar 2012 hat sie ihre Stelle als Weiterbildungsassistentin an der Universitätsklinik Heidelberg angetreten. In einem „Weiterbildungs-Tagebuch“ berichtet sie für uns über Ihre ersten Monate als angehende Fachärztin.
Es ist Ende März
und ich frage mich, wo die Wochen geblieben sind. Die Zeit vergeht so schnell
und täglich lerne ich neue Dinge! Ich fühle mich wohl in der Abteilung und
verstehe mich sehr gut mit den Kollegen. Die ganze Gruppe der Assistenzärzte
ist jung und offen dafür, neue Kollegen aufzunehmen. Die anfängliche Angst,
alleine in eine neue Stadt zu gehen, ist bereits verflogen und ich fühle mich
bei der Arbeit alles andere als einsam.
Im zweiten Monat wurde schon wesentlich mehr von mir erwartet als im ersten Monat, denn nach 4 Wochen sollte man viele Entscheidungen bereits alleine treffen können. Es ist erstaunlich, wie leicht mir manches fällt. Am Anfang überforderte mich schon die Entscheidung für ein Scan-Protokoll, und heute lege ich ganz selbstverständlich Scan-Protokolle fest. Nur selten muss ich den Oberarzt anrufen, um Rücksprache bezüglich spezieller klinischer Fragestellungen zu halten.
Besonders die Bildgebung des Herzens erfordert ein individuelles Scan-Protokoll. In einigen Fällen muss der Patient an ein EKG angeschlossen werden, damit die Scanzeit auf die Herzphasen abgestimmt werden kann. Diese Technik ist besonders dann wichtig, wenn die Ejektionsfraktion des Herzens vor Operationen bestimmt werden muss.
Eine andere, häufige Fragestellung ist die Frage nach der Diagnostik vor TAVI (Tanskatheter-Aortenklappenimplantation). Hierfür muss der Durchmesser der Aortenklappe bestimmt werden und der Abstand zu den Koronargefäßen. In den letzten Wochen wies mich der Oberarzt für den Bereich Herz und Gefäße, Herr Dr. von Tengg-Kobligk, in die spezielle Software für die Bildbearbeitung ein. Es gibt spezielle Computer-Programme, die eine Volumetrie des Herzens oder auch eine Ausmessung von Klappen ermöglichen. Hierbei sollte man sich nicht ausschließlich auf die Software verlassen, sondern muss selber kontrollieren, ob Wand und Klappe korrekt eingezeichnet werden. Die Achsen müssen eingestellt werden und erst wenn alles vorbereitet ist, kann das Programm Volumina bestimmen, oder der Anwender (also ich) kann den Durchmesser von Klappen und Abständen ausmessen. Die Software ist eine enorme Hilfe und mithilfe der Berechnungen können die Herzchirurgen Klappengrößen und Herzfunktionen einschätzen. In diesem Monat habe ich einige Herzen befundet und in der vergangen Woche konnte ich sogar einem Kollegen die Anwendung der Software erklären. Erstaunlich, dass der Lernfortschritt in der kurzen Zeit so groß ist!
Ein weiterer Meilenstein in diesem Monat war mein erster Schockraum! Als ich zum ersten Mal für einen Zwischendienst eingeteilt war, wurde mir schon mulmig. Auch wenn die anderen Kollegen immer in greifbarer Nähe waren, war ich alleine für das Gerät zuständig und somit auch für die Notfälle. Es kam, wie es kommen musste, das Telefon klingelte und ein Schockraum wurde angemeldet. Nach dem letzten Patienten wurde das CT freigehalten und die Tür blieb offen. Jetzt hieß es: Warten. Jede Minute konnte das Unfallopfer ins CT gebracht werden. Es war ein Autobahnunfall und ich rechnete mit dem Schlimmsten. Die Anspannung stieg bei mir von Sekunde zu Sekunde, dann endlich: Der Patient wird ins CT geschoben und während wir ihn auf den CT-Tisch umlagerten, erklärte mir der Anästhesist den Unfallhergang und die bisher erhobenen Befunde.
Ein Protokoll muss ich nicht festlegen, denn hierfür gibt es eine spezielle Traumaspirale: Zuerst wird der Schädel gescannt, dann Thorax und Abdomen. Im Anschluss werden die Knochenfenster berechnet, um Wirbelsäulenverletzungen auszuschließen. Die Schwierigkeit ist, trotz der Fachärzte der anderen Disziplin, die hinter einem stehen, einen klaren Kopf zu behalten. Die Traumatologen und Anästhesisten wollen möglichst sofort wissen, ob es intrakranielle Blutungen gibt, ob die Halswirbelsäule verletzt ist und ob ein Organ im Bauch verletzt wurde.
Ich versuchte, ruhig zu bleiben und schaute zuallererst die Bilder des Schädels auf Blutungen oder Frakturen durch. Ich konnte nichts feststellen. Selbstverständlich habe ich meine Einschätzung im Verlauf mit einem Neuroradiologen besprochen und mir von ihm bestätigen lassen, dass weder eine Blutung noch eine Fraktur der Halswirbelsäule vorliegt. Die übrige Diagnostik konnte ich alleine durchführen und habe sie im Anschluss mit einem Oberarzt besprochen. Zwischendurch kam noch ein Kollege dazu, der parallel die Untersuchung befundete. Ich war froh, dass er immer meiner Meinung war, was zeigt, dass ich richtig lag mit meiner Befundung. Der erste Schockraum war sehr aufregend und ich bin froh, dass der Patient keine schweren Verletzungen hatte. Die Nervliche Anspannung ist groß und man hat Angst, etwas zu übersehen. Ein zusätzlicher Druck war, dass die Kollegen aus dem Trauma-Team unmittelbar hinter mir standen und alle sofort Ergebnisse haben wollten.
Der zweite
Schockraum war schon nicht mehr so schlimm und ich hoffe, dass ich irgendwann weniger
unsicher bin und mit voller Überzeugung sagen kann: keine Fraktur der HWS! Im
zweiten Monat meiner Facharztweiterbildung habe ich selbstverständlich noch
nicht die endgültige Sicherheit, aber die wird hoffentlich bald da sein!