Teil II - Von wahrem und falschem Lumen: Mein Dissertationsthema
Ich fing also an, mich in das Thema einzulesen. Zu Beginn gab mir mein Doktorvater eine Auswahl verschiedener Paper. Die nächste Zeit las ich, markierte Textstellen, fertigte Notizen an und begann, weitere Artikel zu suchen, wodurch ich mich Schritt für Schritt dem vielseitigen Thema der Aortendissektion näherte: Die Aortendissektion stellt einen Einriss der Tunica intima aortae dar. Dadurch kann sich Blut in tiefere Aortenwandschichten wühlen und zu einer longitudinalen Aufspaltung der Gefäßwand führen. So entstehen zwei Lumina: ein sog. „wahres“ und ein „falsches“ Lumen. Distal kann das falsche Lumen durch einen weiteren Intimaeinriss (sog. Re-Entry) wieder Anschluss an das wahre Lumen gewinnen und/oder sich in Seitenäste der Aorta fortsetzen und dort unter Umständen den Blutfluss beeinflussen.
Nach der sog. Stanfordklassifikation werden zwei Typen der Aortendissektion unterschieden: Typ A (Aorta ascendens mitbetroffen) und Typ B (Aorta ascendens nicht mitbetroffen).
Patienten mit Typ A-Dissektion müssen bei hoher Letalität (anfangs 1-2 %/h) umgehend einer chirurgischen Therapie zugeführt werden, Typ B-Dissektions-Patienten hingegen können bei unkompliziertem Verlauf medikamentös, bei komplizierten Verlauf chirurgisch bzw. radiologisch-interventionell behandelt werden.
Die chirurgische Therapie erfolgt in der Regel durch Ersatz des betroffenen Aortenabschnittes durch die Implantation eines Interponates oder aber durch die Rekonstruktion der Aorta. Die interventionelle Behandlung, welche von der Radiologie zusammen mit der Gefäßchirurgie durchgeführt wird, stellt einen minimal-invasiven Eingriff dar: Der Zugang erfolgt durch ein peripheres arterielles Gefäß, meistens der A. femoralis communis. Über diesen Weg wird anschließend versucht, den primären Intimaeinriss, das sog. „Entry“ durch Einbringen von Prothesen oder Stents abzudichten und dadurch den Blutfluss im falschen Lumen zu unterbinden. Auch die aortalen Gefäßabgänge im Becken zu den Nieren oder im Kopf-Hals-Bereich können mit Stents versehen und dadurch offen gehalten werden.
Damit wusste ich schon mehr über die Aortendissektion. Und jetzt, da ich mich mit dem Krankheitsbild auskenne, sollte ich da schon mit dem Erheben von Daten beginnen? Nein, lieber noch (!) nicht!
Sein weiteres Vorgehen beschreibt Marco Dollinger im nächsten Teil: Was tun, wenn der Sommer kommt?