Experimentelle Doktorarbeit in der Radiologie
Viele
Medizinstudenten verbinden eine Doktorarbeit mit Frustration und Schufterei.
Eine experimentelle Doktorarbeit schließen die meisten sogar von vornherein
aus. Nicht so Fatih Seker, Medizinstudent an der Medizinischen Fakultät
Mannheim der Universität Heidelberg: Er promoviert zum Thema „Physiologische
Modellierung cerebraler Vasopasmen“ und hat kürzlich sein erstes Manuskript als
Erstautor in einem Journal eingereicht. Für hellste-koepfe.de berichtet er,
welche Erfahrungen er mit seiner experimentellen Doktorarbeit in der Radiologie
gemacht hat.
von Fatih Seker, 27.06.2012
Neue Horizonte
Zu Beginn des Medizinstudiums hört man immer wieder Geschichten über Kommilitonen, die mit ihrer experimentellen Arbeit gescheitert seien und viele Jahre unnötig im Labor vergeudet hätten. Natürlich wirken solche Schauermärchen abschreckend. Mir war eine zügige Durchführung der Promotion durchaus wichtig. Daher entschied ich mich zunächst lieber für eine Doktorarbeit über Berechnungen und Modellierungen, denen klinische Parameter von Patienten mit cerebralen Vasospasmen zu Grunde liegen.
Nach
meiner Literaturrecherche zum Krankheitsbild der cerebralen Vasopasmen
informierte mich mein Doktorvater Prof. Dr. Hesser über die Möglichkeit einer
Kooperation mit der Abteilung für Kardiovaskuläre Physiologie. Hier könne ich
Versuche an extrahierten Hirnarterien von Ratten durchführen und meine
Doktorarbeit mit Versuchsergebnissen aus dem Labor aufwerten. Dieser neue
interdisziplinäre Vorschlag klang äußerst spannend, und so gelang es mir, meine Bedenken zu experimentellen Arbeiten beiseite
zu schieben Meine Sicht auf die experimentelle Forschung sollte dies
grundlegend ändern!
Arbeiten im Labor
In der Abteilung für Kardiovaskuläre Physiologie war ich – wie sonst auch in meiner Doktorarbeit – sehr gut betreut! Bei der Versuchsplanung standen mir PD Dr. Carolin Brockmann aus der Abteilung für Neuroradiologie und Prof. Dr. Rudolf Schubert, Leiter der Kardiovaskulären Physiologie, zur Seite. Somit hatte ich in diesem fächerübergreifenden Forschungsprojekt sowohl für klinische als auch experimentelle Fragen kompetente Ansprechpartner.
Mit den MTAs Raissa Keppen und Camela Jost arbeitete ich im Labor zusammen; sie erklärten mir die nötigen Arbeitstechniken für die Versuchsabläufe. Für meine Experimente wurde mir ein eigener Arbeitsbereich zu Verfügung gestellt. Einige Geräte, wie z. B. eine Mikrowaage, nutzte ich gemeinsam mit ihnen. Bei Fragen z.B. zur Bedienung halfen sie mir jederzeit weiter, was eine große Erleichterung war.
Prof.
Schubert betreute meine Arbeit im Labor. Gemeinsam mit ihm besprach ich an
jedem Versuchstag die jeweiligen Ergebnisse und das weitere experimentelle
Vorgehen. Eine solche Betreuung gewährleistet, dass man zielgerichtet und
effizient arbeitet und den roten Faden der experimentellen Fragestellung nicht
aus den Augen verliert!
Zeitmanagement
Für eine experimentelle Doktorarbeit, inklusive Literaturrecherche, Zusammenschreiben der Dissertationsarbeit etc. sollte man etwa ein bis drei Jahre einkalkulieren. Dies hängt z. B. davon ab, ob man ein Freisemester für die Tätigkeit im Labor einlegt, ob man auch am Wochenende arbeitet u.ä. Ich selbst habe kein Freisemester eingelegt. Die Experimente habe ich an den Tagen durchgeführt, an denen ich keine oder nur eine Lehrveranstaltung hatte. Ansonsten bietet die vorlesungsfreie Zeit auch eine gute Gelegenheit, viele Versuchsreihen durchzuführen.
Mit
der Versuchsdurchführung begann ich meist am frühen Vormittag und beendete sie
nachmittags. Auf Grund des Versuchsaufbaus war es nicht möglich, ein Experiment
zu unterbrechen und am nächsten Tag fortzuführen. Zwischen den einzelnen
Versuchsschritten gab es aber auch immer wieder Leerlauf. Diese Zeit nutzte
ich, um wissenschaftliche Paper zu lesen oder mich auf Klausuren vorzubereiten.
Wem die restliche Zeit des Tages nicht zum Lernen langt, weil er beispielsweise
nebenbei noch jobben muss, sollte ruhig ein Freisemester in Erwägung ziehen.
Patientenkontakt
Der Patientenkontakt ist bei experimentellen Doktorarbeiten selbstverständlich eingeschränkt. Wer also mit Patienten bzw. Probanden interagieren möchte, sollte sich nach einer klinischen Doktorarbeit umsehen. Manche MRT-Studien bieten sogar die Möglichkeit, selbst die MRT-Untersuchung durchzuführen. Eine hervorragende Gelegenheit, um erste praktische Erfahrungen mit bildgebenden Verfahren zu sammeln!
Wer
aber glaubt, eine klinische Doktorarbeit sei einfacher und mit weniger Stress
verbunden als die experimentelle Arbeit, irrt sich. Die Rekrutierung von
Studienteilnehmern bzw. Patienten für die Datenerhebung kann sich manchmal als
schwierig erweisen und deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als ursprünglich
angenommen. Hier ist es wichtig, mit dem Doktorvater offen über die Zeitplanung
zu reden, um spätere Enttäuschungen zu vermeiden. Das gleiche gilt jedoch auch
für experimentelle Doktorarbeiten.
Fazit
Eine experimentelle Doktorarbeit in der Radiologie eröffnet die Chance, spannende klinisch-radiologische Fragestellungen aus einer wissenschaftlichen Perspektive näher zu untersuchen. Außerdem bietet eine experimentelle Arbeit die Möglichkeit, neue Arbeitsmethoden kennenzulernen und somit seinen wissenschaftlichen Horizont zu erweitern. Mir hat die Arbeit im Labor so sehr gefallen, dass ich auch während meiner Facharztweiterbildung laborexperimentelle Forschung betreiben möchte.
Wer sich für eine experimentelle Arbeit interessiert, sollte allerdings nach zwei Wochen im Labor noch nicht mit publizierbaren Ergebnissen rechnen. Vor allem in der Anfangszeit erwartet den frischen Doktoranden eine steile Lernkurve im Labor. Aber jede dieser Hürden lässt sich mit einer guten Betreuung meistern.
Hast
du Interesse an einer experimentellen Doktorarbeit in der Radiologie? Dann
besuche einfach die Webseite der (neuro-)radiologischen Abteilung deiner
Uniklinik. Schau dich um, mit welchen Forschungsthemen man sich dort befasst
und kontaktiere den entsprechenden Arbeitsgruppenleiter.
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