Kopf-Hals-Diagnostik
von Fatih Seker, 16.10.2014
Was macht man eigentlich in der Kopf-Hals-Radiologie? Wie sieht das Tagesgeschäft aus? Welche Fragestellungen und Themen beschäftigen die Subspezialität? Fatih Seker sprach mit dem Vorsitzenden der AG Kopf-Hals-Diagnostik in der DRG, Prof. Dr. Florian Dammann, und berichtet in unserem Portrait dieses Fachbereichs, warum man eigentlich keine respektvolle Distanz zu Felsenbein, Nasennebenhöhlen & Co. halten muss.
Mit welchen Krankheitsbildern befasst sich die Kopf-Hals-Diagnostik?
Im
Vordergrund stehen einerseits die onkologischen Krankheitsbilder,
beispielsweise die relativ häufigen Plattenepithelkarzinome der Mundhöhle, des
Hypopharynx und Larynx oder die Adenokarzinome der
Tonsillen. Ein
anderer Schwerpunkt sind die entzündlichen Erkrankungen, hierbei hauptsächlich die
Entzündungen der Nasennebenhöhlen. Bei der chronischen Sinusitis ist die
Schnittbilddiagnostik hauptsächlich mittels CT inzwischen obligater Bestandteil
der präoperativen Vorbereitung zur Planung der endoskopisch durchgeführten
Eingriffe. Als dritter
Schwerpunkt gehört die Traumadiagnostik dazu, hierbei vor allem die Diagnostik
bei Mittelgesichtstraumata.
Daneben gibt es
natürlich noch eine Reihe weiterer Themen. Einen guten Überblick über das
Spektrum bieten die AWMF-Leitlinien unserer Arbeitsgemeinschaft, die z.B. über
die AWMF-Homepage erreichbar sind (http://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien/ll-liste/deutsche-roentgengesellschaft-drg.html).
Galerie: Typische Fälle der
Kopf-Hals-Radiologie (Klick aufs Bild öffnet die Großansicht)
Welche Modalitäten werden in der Kopf-Hals-Bildgebung eingesetzt?
In der Kopf-Hals-Region werden prinzipiell alle bildgebenden Methoden eingesetzt. Konventionelle Aufnahmen haben in dem Bereich allerdings nur einen begrenzten Wert und ein entsprechend enges Indikationsspektrum Auch die Sonographie und die Nuklearmedizin werden nur bei bestimmten Fragestellungen eingesetzt. Die Röntgendurchleuchtung hat im Kopf-Hals-Bereich immerhin noch eine der letzten Indikationen in der Radiologie, nämlich zur Abklärung funktioneller Behinderungen bei Schluckstörungen.
Das breiteste diagnostische Spektrum haben im Kopf-Hals-Bereich aber eindeutig die CT und die MRT. In den letzten Jahren ist die Digitale Volumentomographie (DVT) noch als neues Schnittbildverfahren zur Diagnostik von Zahn- und Knochenstrukturen hinzugekommen - ein spannendes Thema. Bei Tumorpatienten können auch die neuen Hybridverfahren wie PET-CT im Kopf-/Halsbereich sinnvoll eingesetzt werden. Aufgrund der fehlenden regulären Finanzierung durch die gesetzliche Krankenversicherung sind diese Verfahren allerdings eher auf spezielle Fälle beschränkt.
Wer mehr zu den Modalitäten erfahren möchte, dem sei auch dieser Beitrag „Bildgebende Verfahren in der Kopf-Hals-Diagnostik“ im Deutschen Ärzteblatt empfohlen: http://www.aerzteblatt.de/archiv/160540/Bildgebende-Verfahren-in-der-Kopf-Hals-Diagnostik
Was ist das Tagesgeschäft eines
Kopf-Hals-Radiologen?
Im Vordergrund steht natürlich die Diagnostik bei Patienten mit Erkrankungen im Kopf-/Halsbereich, das heißt die Durchführung und Befundung von Untersuchungen. Daneben ist der Dialog mit den Patienten und den therapeutischen Abteilungen wichtig, beispielsweise im Rahmen von gemeinsamen klinischen Konferenzen.
Zum Tagesgeschäft des Kopf-Hals Radiologen gehört natürlich auch, den
radiologischen Nachwuchs für das Thema zu interessieren. Die meisten jungen
Radiologinnen und Radiologen halten von dem Thema eher respektvolle Distanz,
weil die Anatomie ziemlich kompliziert erscheint. Dabei lässt sich auch dieses
Thema Schritt für Schritt sehr gut erlernen, denn das
Gros der diagnostischen Fragestellungen lässt sich mit wenigen, immer
wiederkehrenden Checkpunkten klären. Das ist nicht allzu kompliziert. Der Rest
ist Erfahrung, wie in jedem anderen Bereich auch.
Was macht für Sie persönlich die Kopf-/Hals-Bildgebung spannend?
Das vorgenannte "Tagesgeschäft" finde ich einfach schon spannend. Dazu kommt, dass es eben hin und wieder doch diagnostische Fragestellungen gibt, die eine gewisse Erfahrung in dem fachlichen Schwerpunkt erfordern. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man bei solch kniffligen Fällen mit seiner Erfahrung weiterhelfen kann! Es gibt nicht sehr viele Spezialisten in diesem Gebiet.
Besonders spannend finde ich aber, dass wir als Kopf-Hals-Radiologen in
einer sehr interdisziplinären Körperregion tätig sind. Die engen anatomischen
Beziehungen erfordern eine enge Zusammenarbeit z.B. mit der Neuroradiologie als
„Schwesterdisziplin“. Die wesentlichen therapeutischen Partner sind natürlich
die Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, die
Zahnheilkunde, die Radioonkologie, die Neurochirurgie und die Neurologie, um
nur die wichtigsten zu nennen. Aber auch mit speziellen nicht-ärztlichen
Bereichen wie der Logopädie arbeiten wir sehr eng zusammen.
Wie verortet sich die Kopf-Hals-Radiologie als Subspezialität innerhalb der Radiologie?
Die Kopf-Hals Radiologie ist in der öffentlichen Wahrnehmung sicher ein "kleines" Fach, das nicht den gleichen Stellenwert innehat wie z.B. die Kardio-Diagnostik, die muskuloskelettale Diagnostik oder die radiologischen Interventionen. Außerdem wird es als "Zonengrenze" zwischen allgemeiner Radiologie und Neuroradiologie mit schwieriger Anatomie gerne aus respektvoller Distanz betrachtet. Andererseits kommen aufgrund der Vielzahl der beteiligten klinischen Disziplinen doch viel mehr Patienten zusammen, die eine/n kompetente/n Kopf-Hals-Radiologin/en brauchen, als das allgemein bekannt ist. Als nur ein Beispiel ist die Sinusitis, eingangs als einer der Schwerpunkte der Kopf-Hals-Radiologie genannt, eine Erkrankung mit enormer volkswirtschaftlicher Bedeutung. Meines Erachtens wird auch die Einführung der DVT, die bislang eher von Nicht-Radiologen vorangetrieben wurde, in der Radiologie noch unterschätzt.
Welches Ziel hat die Arbeitsgemeinschaft
Kopf-Hals-Diagnostik in der DRG?
Unser wesentliches Ziel ist zum einen die Fort- und Weiterbildung - nicht nur von den Kollegen, die sich im Schwerpunkt der Kopf-Hals-Diagnostik spezialisieren wollen, sondern gerade auch von jungen Kolleginnen und Kollegen in der Weiterbildung und von denjenigen, die andere Schwerpunkte in der Radiologie gewählt haben.
Zum anderen beteiligen wir uns aktiv an der
Entwicklung eigener und – lieber noch – interdisziplinärer Leitlinien. Und
natürlich gibt es auch wissenschaftliche Projekte im Bereich der
Kopf-Hals-Diagnostik: Hier gehören derzeit zu den wichtigsten Themen der
Strahlenschutz, das heißt eine reduzierte Dosis in der CT-Diagnostik, die
Evaluation der DVT als neuer Modalität, und in der MRT die Erprobung neuer
Sequenzen wie der Diffusionsbildgebung und Perfusionsstudien zur
Differenzierung zwischen benignen und malignen Erkrankungen.
Wer kann der AG Kopf-Hals-Diagnostik beitreten?
Jeder, der Mitglied in der Deutschen Röntgengesellschaft ist, kann sich
auch in der AG engagieren, Die AG-Mitgliedschaft kostet keinen Extra-Beitrag,
man muss kein ausgewiesener Experte sein oder bereits viel Erfahrung in dem
Bereich mitbringen. Im Gegenteil - das wichtigste Ziel der AG ist wie gesagt
die Fort- und Weiterbildung. Deshalb ist es gerade auch für junge
Assistenzärztinnen und Assistenzärzte vorteilhaft, in der AG Mitglied zu
werden.
Was bringt mir eine Mitgliedschaft in der AG?
Die Mitglieder der AG kennen sich sehr gut und haben einen engen Kontakt untereinander. Aufgrund der überschaubaren Mitgliederzahl werden neue Mitglieder schnell integriert und sind Teil der "Familie". Sie können von den persönlichen Kontakten durch eine aktive Unterstützung profitieren, sei es für Anfänger in Form einer "schwellenfreien" Hilfe bei schwierigen Fällen oder für Wissenschaftsinteressierte durch Tipps für aktuelle Forschungsthemen, Vermittlung von Promotionen und z.B. Partnerschaften bei multizentrischen Studien. Fortgeschrittene werden gerne in den Kreis von Referenten aufgenommen und können z.B. mit ihrer Erfahrung die Entwicklung von Leitlinien und Untersuchungsprotokollen für CT, MRT oder andere Modalitäten mitgestalten.
Die
AG Kopf-Hals-Diagnostik im Internet:
Prof. Dr. Florian Damman
ist Vorsitzender
der Arbeitsgemeinschaft Kopf-Hals-Diagnostik in der Deutschen
Röntgengesellschaft (DRG) und Chefarzt
des Instituts für Radiologie und Nuklearmedizin der Alb Fils Klinik am Eichert
in Göppingen