Paper des Monats April 2018
kommentiert von Dr. Finn Drescher, Universitätsklinikum Essen
Titel: Prevalence, Clinical Management, and Natural Course of Incidental findings on Brain MR Images: The Population-based Rotterdam Scan Study.
Autor: Bos D. et al.
In: Radiology 2016; 281:507-515
"Eine interessante Studie für alle (Neuro-) Radiologen, die mit dem Management von MR-Zufallsbefunden konfrontiert sind.“
Kurzbeschreibung:
In dieser Studie präsentieren Bos et al. die Ergebnisse einer prospektiven Kohortenstudie aus den Niederlanden, die sich mit der Prävalenz, dem Management und dem natürlichen Verlauf inzidenteller MR-Befunde des Neurocraniums befasst.
Hintergrund:
Durch die steigende Anzahl diagnostischer MR-Untersuchungen werden Zufallsbefunde des Neurocraniums immer häufiger entdeckt. Inwiefern diese Zufallsbefunde klinisch relevant sind oder wie der natürliche Verlauf solcher Zufallsbefunde ist, bleibt jedoch häufig unklar. Dem Radiologen kommt in diesem Kontext eine wichtige Rolle zu, den Zufallsbefund einzuordnen und frühzeitig die Weichen zu stellen, um bei relevanten Befunden eine weitere Abklärung zu empfehlen, den Patienten gleichzeitig aber auch vor invasiven Eingriffen zu schützen.
Inhalt:
Die Autoren der prospektiv angelegten Kohortenstudie zeigen in Ihrem Paper die Prävalenz, das Management und den natürlichen Verlauf häufiger intra- und extraaxialer Zufallsbefunde. Grundlage der vorliegenden Studie bilden die prospektiven Daten der Rotterdam Scan Studie, die degenerative Veränderungen und Erkrankungen des Neurocraniums analysiert (1).
Im Rahmen des Studienprotokolls erhielt die Kohorte nach 3-4 Jahren eine weitere Verlaufskontrolle. In diesem Rahmen wurden insgesamt 11.257 MR-Untersuchungen von 2005 bis 2014 durchgeführt. Alle Untersuchungen wurden an einem Magnetresonanztomographen mit einer Feldstärke von 1,5 Tesla durchgeführt. Die MR-Untersuchungen wurden zunächst von einer Gruppe von trainierten Reviewern gefolgt von einer unabhängigen Beurteilung von zwei erfahrenen Neuroradiologen ausgewertet.
Im Falle eines Zufallsbefunds mit klinischer Relevanz wie beispielsweise einem intrakraniellen Aneurysma wurde der Patient über diesen informiert und – falls notwendig – eine weitere klinische Abklärung durch Neurochirurgen, Neurologen oder Internisten eingeleitet. Zu dieser weiteren Abklärung gehörten gegebenenfalls weitere bildgebende Verfahren wie die Durchführung einer Kontrastmittel-gestützten MR, einer MR-Angiographie oder einer CT-Untersuchung.
Insgesamt wurde bei 549 Patienten (9,5 %) mindestens ein Zufallsbefund entdeckt. Zu den häufigsten Zufallsbefunden gehörten dabei Meningeome (n=143) und zerebrale Aneurysmen (n=134), die zusammen mehr als die Hälfte der Befunde darstellten. Seltener wurden Arachnoidalzysten sowie Veränderungen der Hypophyse wie Hypophysenadenome und Zysten identifiziert. Im Rahmen der vaskulären Zufallsbefunde wurden neben intrakraniellen Aneurysmen auch Durafisteln und arterio-venösen Malformationen entdeckt. Insgesamt wurden bei Frauen gering häufiger Zufallsbefunde diagnostiziert als bei Männern. Insbesondere die Prävalenz der entdeckten Meningeome und Aneurysmen lag bei Frauen signifikant höher.
Im weiteren Verlauf der Studie wurde bei 188 Patienten (3,2 %) mit einem inzidentellen Befund eine weitere Abklärung durchgeführt. Von diesen Patienten wurden 144 Patienten (76,6 %) nach der klinischen Abklärung im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes entlassen oder eine Verlaufsbeobachtung eingeleitet.
Insgesamt 44 der 188 Zufallsbefunde mussten behandelt werden. Darunter wurden 15 der zufällig endeckten Meningeome einer operativen Therapie zugeführt. Das Wachstums des Meningeoms im Verlauf bildete dabei die Entscheidungsgrundlage, ein Meningeom operativ zu behandeln oder nicht. Insgesamt 16 Patienten mit dem Verdacht auf ein intrakranielles Aneurysma wurden zur weiteren Abklärung überwiesen. Bei jedem Patienten mit dem MR-morphologischen Verdacht auf ein zerebrales Aneruysma eine CT-Angiographie durchgeführt. Schließlich wurden 6 von 16 Aneurysmen endovaskulär oder neurochirurgisch behandelt.
Konzeption und Benefit:
Das Paper zeichnet sich durch einen strukturierten Aufbau aus. Bereits am Ende der Einleitung findet sich eine farblich markierte Box, welche die zentralen Aussagen der Studie zusammenfasst. Besonders hervorzuheben sind zudem die Diagramme, die dem Leser einen hervorragenden Überblick der verschiedenen Zufallsbefunde liefern.
Darüber hinaus gibt eine strukturierte Tabelle Aufschluss darüber, wie mit den inzidentellen Befunden weiter verfahren wurde. Hier werden die Befunde in verschiedene Kategorien (benigne Tumoren, maligne Tumoren, vaskuläre Befunde) klassifiziert, welches dem Leser eine Einordnung der Zufallsbefunde vereinfacht.
Der Abschnitt „Natural Course of Meningiomas and cerebral Aneurysms“ liefert interessante Daten bezüglich des Verlaufs dieser beiden häufigen intrakraniellen Zufallsbefunde. Da insbesondere prospektive Daten über den natürlichen Verlauf intrakranieller Aneurysmen rar sind, liegt hier ein großer Mehrwert der vorliegenden Arbeit.
Die abschließende Diskussion verweist zudem auf mögliche Limitationen der Studie. So wurde im Rahmen des MR-Protokolls kein Konstrastmittel verwendet, sodass möglicherweise einige wichtige Zufallsbefunde nicht diagnostiziert wurden. Insgesamt zeichnet sich die Studie durch ein aufwändiges Studiendesign aus und liefert wichtige prospektive Daten über das Management und den Verlauf häufiger intra- und extraaxialer Zufallsbefunde.
Fazit:
In etwa 10 % aller durchgeführten MR-Untersuchungen werden Zufallsbefunde nachgewiesen. Die vorliegende Studie zeigt die Vielfalt der Entitäten, die jedem Radiologen begegnen können und liefert wichtige Daten, auf dessen Grundlage im klinischen Alltag Entscheidungen getroffen werden können, mit solchen Zufallsbefunden umzugehen. Darüber hinaus zeigt die Studie prospektive Daten über den natürlichen Verlauf und die Wachstumstendenz von Meningeomen und intrakraniellen Aneurysmen.
(1) Hofman A, Brusselle GG, Darwish Murad S, et al. The Rotterdam Study: 2016 objectives and design update up to 2012. Eur J Epidemiol 2015;30(8):661-708