April 2013: Ganzkörper-MRT als mögliches Screening
Ein Beitrag von Dr. med. Diane Renz (Charité Berlin)
“Potentially relevant incidental findings on research whole-body MRI in the general adult population: frequencies and management”
Autoren: Katrin
Hegenscheid, Rebecca Seipel, Carsten O. Schmidt, Henry Völzke, Jens-Peter Kühn,
Reiner Biffar, Heyo K. Kroemer, Norbert Hosten, Ralf Puls
In: European
Radiology, März 2013, Band 23: 816-826
„eine detaillierte und übersichtliche
Darstellung der zahlreichen Ergebnisse, die die Ganzkörper-MRT in einem
möglichen Screening hervorbringt“
Kurzbeschreibung
Die
Forschungsgruppe aus Greifswald evaluierte Detektion und weiteres Vorgehen potenziell
relevanter Zufallsbefunde, die im Rahmen einer Ganzkörper-Magnetresonanztomografie
(MRT) erhoben wurden. Dazu schlossen die Autoren 2.500 erwachsene Probanden aus
der groß angelegten, repräsentativen Bevölkerungsstudie „Study of Health in
Pomerania (SHIP)“ ein. Neben der detaillierten Aufarbeitung der erhobenen
Zufallsbefunde beschreiben Hegenscheid et al. ein sinnvolles Verfahren, wie die
pathologischen Befunde klassifiziert, in einem interdisziplinären „Advisory Board“ diskutiert und an die
Probanden weitergegeben werden können.
Hintergrund
Der Einsatz
von Ganzkörper-MRT-Untersuchungen wird bereits seit einigen Jahren als mögliches
Screeningverfahren zur Krankheitsfrüherkennung, wie beispielsweise von Tumoren,
diskutiert. Eine der größten Herausforderungen stellt jedoch nach wie vor das Management
der im Rahmen der MRT-Untersuchungen festgestellten pathologischen Befunde dar.
An der Universität Greifswald wird seit Jahren eine der größten Gesundheitsstudien
zur Erforschung von Volkskrankheiten durchgeführt, die so genannte „Study of
Health in Pomerania (SHIP)“. In dieser epidemiologischen, repräsentativen
Bevölkerungsstudie werden zufällig ausgewählte Probanden aus der Region
Vorpommern in regelmäßigen Abständen medizinisch untersucht. Alle Probanden aus
der SHIP, die keine Kontraindikationen gegen eine MRT-Untersuchung aufwiesen,
wurden schriftlich eingeladen, an einer Ganzkörper-MRT teilzunehmen. Nach
Angabe der Autoren ist die vorliegende Arbeit die erste Studie, die den Einsatz
von Ganzkörper-MRT-Untersuchungen in einer repräsentativen Bevölkerungsstudie an
einem großen Patientenkollektiv evaluierte.
Inhalt
In die
Ganzkörper-MRT-Studie wurden 2.500 erwachsene Probanden (1.271 Frauen, 1.229
Männer; Durchschnittsalter 53 Jahre) eingeschlossen. Nach einer ausführlichen
Aufklärung, auch über die weitere Vorgehensweise möglicher Befunde, wurden die
Ganzkörper-MRT-Untersuchungen nativ ohne den Einsatz von Kontrastmittel
durchgeführt; ein Großteil der Probanden erhielten weitere MRT-Untersuchungen
im Rahmen der Studie (1.129 Personen eine kardiale MRT, 619 Probanden eine
MR-Angiografie und 544 Frauen eine MR-Mammografie). Alle Bilddaten wurden von
zwei Radiologen unabhängig voneinander ausgewertet; bei Nichtübereinstimmung
der Ergebnisse beurteilte zusätzlich ein sehr erfahrener Radiologe diese
MRT-Untersuchungen. Radiologische Befunde wurden in drei Kategorien eingeteilt:
I, nicht pathologische oder häufige Zufallsbefunde, wie z.B. anatomische
Normvarianten oder Schleimhautschwellung in den Nasennebenhöhlen; II, Befunde,
die einer weiteren medizinischen Abklärung bedürfen, beispielsweise Nierentumoren;
III, Befunde, bei denen eine sofortige medizinische Behandlung notwendig ist,
z.B. akuter Schlaganfall (eine Liste von neun Kategorie III-Diagnosen wurde
vorher definiert und diese, falls vorhanden, dem Patienten sofort im Anschluss
an die MRT-Untersuchung mitgeteilt). Von den 2.500 eingeschlossenen Probanden wurden
bei 904 Personen insgesamt 1.330 potenziell relevante Befunde (Kategorien I-III)
diagnostiziert. Diese pathologischen Befunde wurden in dem „Advisory Board“
vorgestellt und diskutiert; dieses Konsil bestand unter anderem aus Ärzten der
Radiologie, Inneren Medizin, Chirurgie und Neurologie, einem Epidemiologen
sowie einem Experten in ethischen Fragestellungen. Von dem Board wurden 1.052 Befunde
bei 787 Probanden als relevant begutachtet (Kategorien II und III); diese 787
Probanden wurden im Falle von Kategorie II-Diagnosen schriftlich über ihren
Befund informiert, inklusive einer Empfehlung des weiteren diagnostischen
Vorgehens. Die Mehrzahl dieser 1.052 Befunde wurden als „unklar“ anhand der
MRT-Aufnahmen eingestuft (n=607; 57.7%); lediglich 62 Befunde (5.9%) wurden als
„maligne“ und 383 Befunde (36.4%) als „benigne“ klassifiziert.
Konzeption und Benefit
Besonders positiv
an der vorliegenden Forschungsarbeit hervorzuheben sind das sehr große
Kollektiv und die zufällige Auswahl der Probanden im Rahmen der
Bevölkerungsstudie SHIP. Die Aufbereitung der zahlreichen erhobenen Daten ist sehr
detailliert und höchst übersichtlich. Eine wichtige Limitation der Studie ist,
dass die Ganzkörper-MRT-Untersuchungen nativ ohne Kontrastmittel durchgeführt
wurden, was möglicherweise die relativ große Anzahl unklarer Befunde zur Folge
hat. Die erhobenen pathologischen Befunde wurden anhand der MRT-Untersuchungen
in „unklar“, „maligne“ oder „benigne“ eingestuft; eine klinische oder
histologische Bestätigung der gestellten Diagnosen wurde im Rahmen dieser
publizierten Arbeit nicht durchgeführt, weil dies vermutlich den Rahmen der
Studie gesprengt hätte. Weiterführend wäre eine Analyse von Kosten der Ganzkörper-MRT-Screening-Untersuchungen
sowie möglicher resultierender Folgekosten volkswirtschaftlich von großem
Interesse. Neben der hervorragenden Darstellung der Ergebnisse ist ein weiteres
wesentliches Benefit der Studie die detaillierte Beschreibung einer möglichen, effizienten und ethischen Vorgehensweise mit
den zahlreichen Diagnosen, die im Rahmen einer Ganzkörper-MRT-Untersuchung gestellt
werden können.
Fazit
Die im März
2013 in der renommierten Zeitschrift „European Radiology“ publizierte Arbeit
von Hegenscheid et al. ist lesenwert vor allem aufgrund einer hervorragenden
und übersichtlichen Darstellung der zahlreichen und detaillierten Ergebnisse.
Zudem beschreibt die Arbeitsgruppe aus Greifswald ein effizientes Management
der im Rahmen von Ganzkörper-MRT-Untersuchungen zahlreichen festgestellten
radiologischen Befunde.