Februar 2015: Bildmorphologische Charakteristika von Angiosarkomen in der Leber
eine Rezension von PD Dr. med. Diane Renz, Uniklinik Jena
Titel: Primary hepatic angiosarcoma: multi-institutional comprehensive cancer centre review of multiphasic CT and MR imaging in 35 patients
Autoren: Perry J. Pickhardt, Douglas Kitchin, Meghan G. Lubner, Dhakshina
M. Ganeshan, Sanjeev Bhalla, Anne M. Covey
In: European
Radiology, Februar 2015, Band 25, Seiten 315-322
„eine systematische Arbeit über die wissenschaftlich bisher wenig beachteten bildmorphologischen Charakteristika von Leberangiosarkomen“
Kurzbeschreibung
Das Autorenteam
aus Madison, Houston, St. Louis und New York (U.S.A.) hat zum ersten Mal
systematisch in einem vergleichsweise größeren Patientenkollektiv
bildmorphologische Charakteristika des primären Angiosarkoms der Leber in der
Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) aufgezeigt. Die
Ergebnisse der Originalarbeit tragen zu einer korrekten und möglichst
frühzeitigen Diagnosestellung des hochaggressiven Tumors sowie zu seiner
sicheren Abgrenzung von anderen Leberpathologien bei.
Hintergrund
Angiosarkome sind bösartige Tumoren des Bindegewebes, die von Gefäßendothelzellen ausgehen; neben der Leber können sie insbesondere in der Haut und der Milz auftreten. Wichtige Risikofaktoren sind neben vorangegangener Bestrahlung immer noch das schon seit den 1950er Jahren nicht mehr auf dem Markt befindliche Röntgenkontrastmittel Thorotrast sowie die Gefahrenstoffe Vinylchlorid und Arsen. Vergleichsweise dazu wurde der Leberzirrhose als möglichem Risikofaktor nach Angaben der Autoren bisher zu wenig Bedeutung beigemessen; erst in den letzten Jahren rückt die Beobachtung in den Blickpunkt, dass die Leberzirrhose nicht nur für die klinisch sehr bedeutsamen Hepatozellulären Karzinome („Hepatocellular carinomas“, HCCs), sondern durchaus auch für Angiosarkome eine Prädisposition darstellt.
Leberangiosarkome sind die häufigsten primären
mesenchymalen Tumoren in der Leber; ihre Inzidenz ist jedoch mit etwa 1:1
Million Einwohner im Vergleich zu anderen Krebsarten verschwindend gering. Ihre
geringe Inzidenz und ihre sich teils mit anderen Leberpathologien überlappende
bildmorphologische Darstellung sind vermutlich mit die wichtigsten Gründe für
die häufig späte Diagnosestellung des Angiosarkoms. Dies ist vor dem
Hintergrund bedeutsam, dass die mittlere Überlebensdauer des hochaggressiven
Tumors nur bei sechs Monaten liegt. Den Autoren zufolge beruhen die bisherigen
wissenschaftlichen Erkenntnisse über die radiologischen Charakteristika des
Leberangiosarkoms in erster Linie auf Einzelfallberichten und Studien mit
Einschluss von maximal 13 betroffenen Patienten.
Inhalt
Das Ziel dieser vorliegenden Studie war daher, bildmorphologische Charakteristika des primären Angiosarkoms der Leber in der MRT und CT an einem vergleichsweise größeren Patientenkollektiv und vor allem auch in systematischer Vorgehensweise zu untersuchen. Dazu schlossen die Autoren in einem Multicenter-Studiendesign 35 Patienten mit histologisch gesicherten Angiosarkomen der Leber ein. Alle Patienten erhielten mindestens eine CT- und / oder MRT-Untersuchung mit Applikation von intravenösem Kontrastmittel. Die Untersuchungen wurden von drei auf Abdomenbildgebung spezialisierte Radiologen retrospektiv ausgewertet, unter Berücksichtigung zahlreicher morphologischer Charakteristika, darunter dem Kontrastmittelanreicherungsverhalten.
Die Ergebnisse der Studie belegen, dass alle untersuchten Tumoren ein multifokales Wachstum aufwiesen. Bei nahezu allen Angiosarkomen (89,7%) zeigte sich eine Hypervaskularisation in der arteriellen Kontrastmittelphase; in der Regel wiesen jedoch nur Anteile des typischerweise stark heterogenen Tumors ein kräftiges Kontrastmittelenhancement in der arteriellen Phase auf.
Von Hepatozellulären
Karzinomen, die charakteristischerweise in der arteriellen Phase
hypervaskularisiert sind, können die Angiosarkome nach Aussage der Autoren
insofern differenziert werden, dass die Angiosarkome das für HCCs typische Auswaschphänomen
in der venösen Kontrastmittelphase vermissen lassen. Vom Kontrastmittelanreicherungsverhalten
her zeigten 57,1% aller Angiosarkome in dieser Studie ein den Leberhämangiomen
vergleichbares Enhancement im Kontrastmittelverlauf, etwa die typische
zentripetale Anreicherung von außen nach innen; ein zentrifugales Enhancement
(von innen nach außen) wurde in 31,4% aller Tumoren detektiert. Mehr als 40%
der 35 Patienten (genau 42,3%) wies morphologische Zeichen der Leberzirrhose
auf, was nach Angaben der Autoren die Wichtigkeit der Leberzirrhose in der
Ätiologie der Tumoren unterstreicht.
Konzeption und Benefit
Besonders positiv
an der Studie zu bewerten ist die klinische Relevanz, die sehr gute
Verständlichkeit sowie die systematische und gründliche Aufarbeitung des bisher
wissenschaftlich wenig beachteten Themas. Die fundierte Bildanalyse umfasst
eine Vielzahl verschiedener Parameter. Zudem beinhaltet die Publikation
umfangreiche, repräsentative Bildbeispiele von hoher Qualität. Ein großer
Nachteil der Studie stellt jedoch das Multicenter-Design und die dadurch
heterogenen CT- und MRT-Untersuchungsprotokolle dar; auch haben ein Großteil
der Patienten lediglich Computertomographien, ein anderer Teil ausschließlich
Magnetresonanztomographien erhalten. Die Studie bietet jedoch zahlreiche
Anregungen für weitere Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet, etwa die Darstellung
der Angiosarkome unter Verwendung von leberspezifischen Kontrastmitteln oder die
Erarbeitung eines für die Fragestellung optimalen radiologischen
Untersuchungsprotokolls.
Fazit
Die Multicenter-Studie liefert eine systematische Evaluation über bildmorphologische Charakteristika des Angiosarkoms der Leber. Weitere Stärken der Originalarbeit sind die im Vergleich zu anderen Publikationen relativ hohe Fallzahl, die sehr gute Verständlichkeit des Artikels und das exzellente, repräsentative Bildmaterial; die Nachteile beruhen vor allem auf dem Multicenter-Studiendesign. Diese vorliegende Untersuchung bietet insgesamt zahlreiche Anregungen für weitere radiologische Forschungsarbeiten auf dem wissenschaftlich bisher wenig beachteten Gebiet der Leberangiosarkome.