Paper des Monats Januar 2017
kommentiert von PD Dr. Katja Hüper, Medizinische Hochschule Hannover
Titel: Contrast-enhanced spectral mammography in recalls from the Dutch breast cancer screening program: validation od the results in a large multireader, multicase study
Autoren: U. C. Lalji, I. P. L. Houben, R. Prevos, S. Gommers, M. van Goethem, S. Vanwetswinkel, R. Pijnappel, R. Steeman, C. Frotscher, W. Mok, P. Nelemans, M. L. Smidt, R. G. Beets-Tan, J. E.Wildberger, M. B. I. Lobbes
In: European Radiology, 2016 Dec;26(12):4371-4379.
"Die kontrastverstärkte spektrale Mammografie ist der digitalen Mammografie überlegen und dient der Problemlösung bei Patienten im Mammografie-Screening."
Kurzbeschreibung:
In dieser Studie wurden kontrastverstärkte spektrale Mammografien (contrast-enhanced spectral mammography, CESM) von 199 Patientinnen, die aus dem niederländischen Mammografie-Screening aufgrund von Auffälligkeiten in der Mammografie zur weiteren Abklärung wieder einbestellt wurden, retrospektiv analysiert. Sieben Spezialisten der Mammadiagnostik, davon vier mit zweijähriger Erfahrung in der CESM und drei ohne CESM-Erfahrung, sowie drei Assistenzärzte beurteilten die Bilddaten. Im Mittel stiegen durch Einsatz der CESM gegenüber der Standard-Mammografie die Sensitivität um 3,9% auf 96,9% und die Spezifität um 33,8% auf 69,7%, entsprechend einer signifikanten Erhöhung der diagnostischen Genauigkeit. Unabhängig von der Erfahrung stiegen die Spezifität und positiver prädiktiver Wert deutlich und signifikant an. Die Autoren schließen daraus, dass die CESM der digitalen Mammografie, unabhängig von der Erfahrung der Befunder, überlegen ist.
Hintergrund:
Die Mammografie spielt eine wesentliche Rolle bei der Detektion von Brustkrebs und wird im Mammografie-Screening eingesetzt. Allerdings ist ihre diagnostische Genauigkeit insbesondere bei dichtem Brustdrüsengewebe eingeschränkt. Die CESM ist eine neue Technik, deren diagnostische Genauigkeit der digitalen Mammografie überlegen ist. Nach intravenöser Gabe von iodhaltigem Kontrastmittel werden Mammografien in Standardprojektionen (craniocaudal = CC und mediolateral oblique = MLO) mit zwei verschiedenen Energien aufgenommen. Das Bild mit niedriger Energie entspricht vom Bildeindruck der bekannten digitalen Mammografie. Das Bild mit hoher Energie wird zur Berechnung eines Kontrastbildes herangezogen, bei dem nur das iodhaltige Kontrastmittel, nicht aber das Drüsenparenchym zur Darstellung kommt. Tumoren sind daher auch bei sehr dichtem Brustdrüsengewebe in dem berechneten Bild anhand ihrer Kontrastmittelaufnahme erkennbar.
Inhalt:
In die retrospektive Studie wurden an einem Zentrum 199 Frauen des Mammografie-Screenings in den Niederlanden zwischen November 2012 und Oktober 2013, die mittels CESM untersucht wurden, eingeschlossen. Zehn Befunder, davon vier Spezialisten der Brustdiagnostik mit zweijähriger CESM-Erfahrung, drei Spezialisten der Brustdiagnostik ohne CESM-Erfahrung und drei Assistenzärzte, evaluierten zunächst das Bild mit niedriger Energie (entsprechend einer digitalen Mammografie ohne Kontrastmittel) nach BI-RADS Kriterien. Danach konnten die Befunder anhand der CESM ihre Beurteilung anpassen und den BI-RADS Score belassen, upgraden oder downgraden. Den Befundern war der Grund der Einbestellung der Patienten zur Abklärungsdiagnostik bekannt. Die als tumorverdächig (BI-RADS 4-5) gewerteten Befunde wurden bioptisch abgeklärt, die als benigne eingestuften Veränderungen (BI-RADS 1-3) wurden weiter durch ergänzende mammografische Projektionen und gezielte Sonografie beurteilt.
Die Autoren konnten zeigen, dass durch die CESM die Sensitivität im Mittel von 93% auf 96,9%, die Spezifität von 35,9% auf 69,7%, der positive prädiktive Wert von 38,7% auf 58,2% und der negative prädiktive Wert von 92,6% auf 98,2% gegenüber der digitalen Mammografie stiegen. Die diagnostische Genauigkeit war somit durch Einsatz der CESM signifikant höher. Eine Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit war bei allen Befundergruppen, unabhängig von den Vorerfahrungen, zu verzeichnen. Außerdem war die Variabilität in der Bewertung der CESM zwischen den Befundern sehr gering. Zehn Malignome wurden mittels CESM übersehen. Diese Fälle werden in dem Paper detailliert aufgearbeitet. Ebenso werden die Ursachen für falsch positive Resultate der CESM diskutiert.
Konzeption und Benefit:
Das Paper ist lesenswert, da es systematisch die diagnostische Genauigkeit einer neuen und vielversprechenden Technik für die Mammadiagnostik in einem standardisierten großen Kollektiv von Frauen aus dem Mammografie-Screening analysiert. Durch die Bewertung der Technik durch eine große Anzahl an Befundern mit unterschiedlichem Erfahrungsstand wird die problemlose klinische Einsetzbarkeit der CESM betont. Des Weiteren ist die exzellente statistische Auswertung der Daten hervorzuheben, die gut verständlich beschrieben ist und überzeugende Ergebnisse liefert.
Fazit:
Die Autoren aus den Niederlanden und aus Belgien zeigen in einer großen retrospektiven Analyse mit zehn Befundern die diagnostische Überlegenheit der CESM gegenüber der digitalen Mammografie, die besonders durch eine deutliche Erhöhung der Spezifität und des positiven prädiktiven Wertes gekennzeichnet ist. Interessant ist, dass die Interpretation von CESM keinen wesentlichen Lernprozess zu erfordern scheint, da sowohl Spezialisten der Mammadiagnostik ohne CESM-Vorerfahrung als auch Assistenzärzte mit geringer Erfahrung in der Mammadiagnostik eine hervorragende diagnostische Genauigkeit mit der CESM erzielen. Um die CESM als primäre Methode in der Abklärungsdiagnostik im Mammografie-Screening zu etablieren, ist jedoch die Durchführung von prospektiven randomisierten und kontrollierten Studien notwendig, die die Standard-Abklärungsdiagnostik mit der CESM-basierten Abklärungsdiagnostik vergleichen.