März 2015: ESCAPE-Studie: Endovaskuläre Therapie verbessert das Outcome beim akuten ischämischen Schlaganfal
eine Rezension von Dr. Katja Hüper, Medizinische Hochschule Hannover
Titel: Randomized Assessment of Rapid Edovascular Treatment of Ischemic Stroke
Autoren: M. Goyal, A.M. Demchuk, B.K. Menon, M. Eesa, J.L. Rempel, J. Thornton, D. Roy, T.G. Jovin, R.A. Willinsky, B.L. Sapkota, D. Dowlatshahi, D.F. Frei, N.R. Kamal, W.J. Montanera, A.Y. Poppe, K.J. Ryckborst, F.L. Silver, A. Shuaib, D. Tampieri, D. Williams, O.Y. Bang, B.W. Baxter, P.A. Burns, H. Choe, J.-H. Heo, C.A. Holmstedt, B. Jankowitz, M. Kelly, G. Linares, J.L. Mandzia, J. Shankar, S.-I. Sohn, R.H. Swartz, P.A. Barber, S.B. Coutts, E.E. Smith, W.F. Morrish, A. Weill, S. Subramaniam, A.P. Mitha, J.H. Wong, M.W. Lowerison, T.T. Sajobi, and M.D. Hill for the ESCAPE Trial Investigators*
In: N Engl J Med 2015 Mar; 372 (11): 1019-1030
Eine therapeutisch relevante Studie, die den Benefit der endovaskulären Therapie des ischämischen Schlaganfalls gegenüber der Lysetherapie bei ausgewählten Patienten zeigt.
Kurzbeschreibung
Patienten mit einem akuten
ischämischen Schlaganfall bei einem proximalen Gefäßverschluss in der vorderen
Zirkulation sterben in 60-80% der Fälle innerhalb von 90 Tagen, oder sie haben schwere
neurologische Einschränkungen nach intravenöser Lysetherapie mit Alteplase. In
der ESCAPE-Studie wurde die endovaskuläre Therapie in Kombination mit der
Standardtherapie bei Patienten mit einem akuten ischämischen Schlaganfall mit
einem kleinen Infarktkern, einem proximalen arteriellen Gefäßverschluss und
einer moderaten bis guten kollateralen Zirkulation evaluiert. Nach Einschluss
von 316 Patienten an 22 Zentren (238 Patienten mit intravenöser Alteplase-Therapie
und 120 Patienten mit Thrombektomie) wurde die Studie vorzeitig auf Grund der
besseren Wirksamkeit der endovaskulären Therapie gegenüber der
Standardtherapie (intravenöse
Alteplase-Therapie) gestoppt. Patienten mit der endovaskulären Therapie hatten
ein signifikant besseres Outcome und eine geringere Mortalität von 10,4% vs.
19,0% in der Kontrollgruppe. Das Blutungsrisiko war nicht unterschiedlich. Die
Autoren kommen daher zu dem Schluss, dass bei Patienten mit einem akuten
Schlaganfall mit einem proximalen Gefäßverschluss, einem kleinen Infarktkern
und einer moderaten bis guten kollateralen Zirkulation eine schnelle
endovaskuläre Therapie das neurologische Outcome verbessert und die Mortalität
reduziert.
Hintergrund
Der ischämische Schlaganfall ist
eine häufige Erkrankung, die assoziiert ist mit schwerwiegenden neurologischen
Störungen und einer hohen Mortalität. Patienten mit einem proximalen
Gefäßverschluss in der vorderen Zirkulation sterben in 60-80% innerhalb von 90
Tagen oder sie haben schwere neurologische Einschränkungen nach intravenöser Lysetherapie
mit Alteplase. In der PROACT II Studie
wurde erstmals der Vorteil der endovasukulären Therapie im Vergleich zur
Standardtherapie mit intravenöser Alteplase-Gabe bei Patienten mit Verschluss
der Arteria cerebri media nachgewiesen. In den folgenden Studien konnte dieser
Benefit jedoch nicht bestätigt werden, was vermutlich an der Auswahl der
eingeschlossenen Patienten lag. Wichtig für die Wirksamkeit der endovaskulären
Therapie sind der Nachweis eines proximalen Gefäßverschlusses, der Ausschluss
eines großen Infarktes und die schnelle Rekanalisation mit hohen Reperfusionsraten.
Die kürzlich publizierte MR CLEAN Studie aus den Niederlanden konnte bereits
den klinischen Benefit und die Sicherheit der endovaskulären Therapie innerhalb
von 6 Stunden nach Beginn der Symptome bei Patienten mit proximalem
Gefäßverschluss der vorderen Zirkulation nachweisen.
Inhalt
Ziel der ESCAPE Studie war es, zu untersuchen, ob Patienten mit einem akuten ischämischen Schlaganfall von einer schnellen endovaskulären Therapie profizieren. In der prospektiven, randomisierten Multicenderstudie wurden insgesamt 316 Patienten eingeschlossen, die entweder die Standardtherapie mit intravenöser Alteplase (Kontrollgruppe) oder eine endovaskuläre Therapie zusätzlich zu der Standardtherapie (Interventionsgruppe) erhielten. Patienten innerhalb von 12 Stunden nach Beginn der Symptome wurden eingeschlossen. Anhand von CT und CTA wurden Patienten mit einem kleinen Infarktkern, einem proximalen Gefäßverschluss der vorderen Zirkulation und einer moderaten bis guten kollateralen Zirkulation identifiziert und eingeschlossen. Bei Patienten in der Interventionsgruppe wurde eine interventionelle Therapie mit Hilfe der vorhandenen Thrombektomie-Devices durchgeführt, um eine Reperfusion zu erzielen. Patienten in der Kontrollgruppe erhielten die Standardtherapie. Patienten in beiden Gruppen erhielten intravenöse Alteplase-Therapie innerhalb von 4,5 Stunden nach Beginn der Schlaganfallsymptomatik. Ziel war es, innerhalb von 90 Minuten nach dem nativen CCT die Durchblutung wieder herzustellen. Primäres Outcome war der Score auf der modifizierten Rankin-Skala (0 = keine Symptome bis 6 = Tod) zur Beurteilung der neurologischen Defizite 90 Tage nach dem Schlaganfall. Sekundäre Endpunkte waren frühe Rekanalisierung und Reperfusion, intrakranielle Blutung, Komplikationen der Angiografie, neurologische Defizite nach 90 Tagen und Tod.
Die Studie wurde vorzeitig nach einer Zwischenanalyse nach Veröffentlichung der Ergebnisse der MR CLEAN Studie beendet, da die Überlegenheit der endovaskulären Therapie gegenüber der Standardtherapie nachgewiesen wurde. Es wurden 316 Patienten eingeschlossen, davon 165 in der Interventionsgruppe und 150 in der Kontrollgruppe. Die Analyse des primären Endpunktes zeigte ein Odds-Ratio von 2,6 zugunsten der Intervention für die Verbesserung um 1 Punkt auf der modifizierten Rankin-Skala. Der Anteil der Patienten mit einem modifizierten Rankin-Score von 0-2 nach 90 Tagen war 53,0% in der Interventionsgruppe und 29,3% in der Kontrollgruppe. Die Mortalität nach 90 Tagen lag in der Interventionsgruppe ebenfalls signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe (10,4% vs. 19,0%). Der Anteil an intrakraniellen Blutungen war gleich. Komplikationen im Rahmen der Thrombektomie traten bei 18 Patienten (4x schwerwiegend, 14x nicht schwerwiegend) auf. Weitere interessante Aspekte werden zusätzlich in den Subgruppenanalysen dargestellt (siehe Originalpublikation).
Die ESCAPE Studie zeigt, dass bei
Patienten mit ischämischem Schlaganfall, einem kleinen Infarktkern, einem
proximalem Verschluss der vorderen Zirkulation und einer moderaten bis guten kollateralen
Zirkulation die schnelle endovaskuläre Therapie das klinische Outcome
verbessert und die Mortalität reduziert. Damit bestätigt die Studie die
Ergebnisse der MR CLEAN Studie.
Fazit
Der Artikel ist sehr empfehlenswert, da es sich um eine relevante und große Studie handelt, die wesentlichen Einfluss auf die Therapie des Schlaganfalls haben wird. Die Bedeutung des interventionellen neuroradiologischen Verfahrens und die Notwendigkeit einer flächendeckenden Verfügbarkeit der endovaskulären Therapie steigen dadurch. Außerdem wird in der Arbeit deutlich, dass die Patientenselektion für den Erfolg des Verfahrens entscheidend ist.
Mehr zum Thema (Anm. d. Red.):
Schlaganfall - Neue Therapie schafft den Durchbruch (Ärzte Zeitung online, 13.02.2015)
Spektakuläre Studien zur endovaskulären Therapie: komplexe Schlaganfalltherapie mit großem Nutzen (Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie, Feb 2015)