November 2014: Klassifikationen für das Therapieansprechen maligner Erkrankungen
eine Rezension von Dr. Annika Keulers, Aachen
Titel: Radiologische Beurteilung des Therapieansprechens maligner Erkrankungen: Status quo, innovative Entwicklungen und Anforderungen an die Radiologie
Autoren: A. J. Höink,
W. Heindel, B. Buerke
In: Fortschr.
Röntgenstr 2014; 186:927-936
„Sehr gut
zusammengefasste Informationen zu einem komplexen, wichtigen Thema“
Kurzbeschreibung und Hintergrund
Die Radiologie ist ein wesentlicher Bestandteil im interdisziplinären Team zur Behandlung von Krebspatienten und insbesondere für die bildmorphologische Evaluation der Tumormanifestation sowie des Therapieansprechens verantwortlich. Hierbei ist vor allem das frühzeitige Erkennen eines Therapieansprechens oder -versagens essenziell, um die weitere Behandlung der Patienten zu adaptieren, konsekutiv die Heilungschancen zu verbessern oder im palliativen Konzept die Überlebenszeit zu verlängern.
Bestand die Aufgabe der Bildgebung in den letzten Jahrzehnten im Wesentlichen darin, die Größe und Anzahl der Tumormanifestation zu erfassen, so bringen die vielfältigen neuen Therapiekonzepte für die Radiologie weitere diverse Herausforderungen mit sich: So sind neben der Größenausdehnung aktuell auch Vitalitätsparameter von entscheidender Bedeutung und müssen bildmorphologisch quantifiziert werden. Auch stellt die wiederholte Untersuchung und Verlaufsbeurteilung eines Patienten im Rahmen des Stagings durch verschiedene Diagnostiker eine Herausforderung dar. Dieser versucht man mit standardisierten Evaluierungskriterien zu begegnen, um somit eine einheitliche Bewertungsbasis zu schaffen.
Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick sowohl über die
bereits älteren, gut etablierten und nach wie vor weit verbreiteten, als auch
über die neuesten bildgebenden Methoden und Bewertungskriterien onkologischer
Erkrankungen. Darüber hinaus stehen zukünftige Entwicklungen und Limitationen
der bildgebenden Tumordiagnostik im Fokus.
Inhalt
Um die Komplexität dieses Themas von Beginn an verständlich zu machen, werden zunächst einige entscheidende Punkte bezüglich Messmethoden und Bewertungsdefinitionen angesprochen. So müssen Kriterien zur Beurteilung des Therapieansprechens grundsätzlich immer die gleichen essentiellen Voraussetzungen erfüllen, um eine wiederholte Beurteilung im Rahmen des Stagings mit möglichst geringer Interobserver-Variabilität zu erlauben. Die bewerteten Läsionen müssen daher eine bestimmte Größe aufweisen um quantitativ gut messbar zu sein, und sie müssen sich eindeutig von der Umgebung bzw. anderen Herden abgrenzen, damit man sie problemlos wiederfinden und im Verlauf reproduzierbar beurteilen kann. Die gewählten Herde werden im Verlauf („follow up“) wiederholt vermessen und bewertet, wobei als Referenzwert für ein Therapieansprechen immer die Ausgangsuntersuchung („baseline“) vor Therapiebeginn herangezogen wird. Treten neue Herde auf oder es zeigt sich ein Größenprogress der bekannten, wird die letzte „follow up“ Untersuchung, in der diese noch nicht abgrenzbar waren, als Referenz verwendet.
Das Therapieansprechen ist je nach Klassifikation unterschiedlich definiert. Jedoch sind die verwendeten Kategorien immer dieselben: „progressive disease“ steht für eine fortschreitende Tumormanifestation und Zeichen eines fehlenden Ansprechens; „stable disease“ zeigt eine im wesentlichen konstante Befundausdehnung und „partial response“ besagt eine rückläufige Tumorausdehnung. „Complete response“ wird der Status genannt, wenn keine Tumormanifestation mehr abzugrenzen ist. Die drei zuletzt genannten werden je nach stattgehabter Behandlung als Therapieansprechen gewertet.
Auf der Grundlage dieser Informationen erläutern die Autoren im Anschluss die verschiedenen Tumorbewertungskriterien:
Die Bewertung des Tumoransprechens kann anhand der Größe erfolgen: Hier lassen sich die beiden am meisten verwendeten Verfahren nach WHO und RECIST gegenüberstellen. Die Volumetrie als neue dreidimensionale Methode ist ebenfalls zu nennen und mit Hilfe neuer spezieller Auswertungssoftwares auf dem Vormarsch.
Des Weiteren
sind krankheitsspezifische Kriterien zu unterscheiden: So werden
hypervaskularisierte Raumforderungen wie das hepatozelluläre Karzinom (HCC)
oder der Gastrointestinale Stromatumor (GIST) nach dem Grad ihrer Kontrastmittelaufnahme
als Zeichen der Vitalität bewertet. Insbesondere Therapieansätze mit
zytostatischem Effekt oder auch lokal-ablative Therapien wie die
transarterielle Chemoembolisation (TACE) oder die selektive interne
Radiotherapie (SIRT) zeigen initial nicht unbedingt eine Größenabnahme der
Raumforderungen bei dennoch deutlich reduzierter Vitalität des Tumorgewebes.
Folglich ist es wichtig diese zusätzlichen Kenntnisse in die Bewertung
hypervaskularisierter Läsionen einzubeziehen, und es wurden die mRECIST, EASL
bzw. CHOI Kriterien entwickelt.
Auch
Lymphome können mit der reinen Größenbestimmung in einer Ebene nicht
ausreichend beurteilt werden, da Lymphomherde oft polymorph in mehreren
räumlichen Ebenen ihre Größe und Form verändern, sodass auch hier eigene mehrdimensionale
Kriterien geschaffen wurden (Cheson).
Mit der Entwicklung der beschriebenen Kriterien wurde versucht, den individuellen Problemen der jeweiligen Tumorentitäten und Therapien Rechnung zu tragen. Bisher fehlt es allerdings an ausreichenden Daten, anhand derer für diese neueren Kriterien auch eigene Schwellenwerte zur Klassifikation des Tumoransprechens definiert werden könnten. Daher werden aktuell die Grenzwerte oftmals aus den klassischen RECIST 1.1 Richtlinien übernommen oder lediglich gering modifiziert. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass für die Größenausdehnung gleiche Maßstäbe gelten wie für die Vaskularisation bzw. Vitalität. Insbesondere die Quantifizierung der Gewebevitalität bzw. Nekrose stellt eine Herausforderung dar.
Ein weiteres,
zukunftsträchtiges Beurteilungskriterium stellt die Erhebung funktioneller
Messparameter dar: Die PET-CT wird schon lange sowohl zur Tumorsuche als
auch zum Staging eingesetzt. Im Jahr 1999 definierte die EORTC bereits
Richtlinien zur Evaluation des Therapieansprechens mittels PET, welche auf der
Änderung des SUV (standardised uptake value) basieren und den Tumormetabolismus
widerspiegeln.
Ebenfalls
kann mit dem Stand der aktuellen Technik die Gefäßdichte des Tumors und die
Änderung der Vaskularisation unter anti-angiogener oder anti-vaskulärer
Therapie bestimmt werden: dynamic contrast enhanced (DCE)-MRT,
contrast-enhanced ultrasonography (CEUS) oder CT-Perfusion.
Auch
diffusionsgewichtete MRT-Sequenzen können therapeutisch bedingte Änderungen in
der Beschaffenheit des Tumorgewebes nichtinvasiv erfassen, respektive die
MR-Spektroskopie und –Relaxometrie.
Zum Ende der Veröffentlichung diskutieren die Autoren die größten Schwierigkeiten und Limitationen der Tumorbewertungskriterien. Hier sei vor allem eine teils deutliche inter- und intra-oberserver- Variabilität zu nennen, die vorwiegend durch mangelnde Kenntnis und eingeschränkte Erfahrung mit den verschiedenen Klassifikationen zu erklären sei. Zudem sind die standardisierten Vorgaben der Klassifikationen nicht auf jeden Patienten problemlos anzuwenden, sodass oftmals Unklarheiten in der Einordung entstehen, obwohl der klinisch deskriptive Befund eindeutig erscheint.
Eine Hilfe für die Anwender stellen laut der Veröffentlichung spezielle Softwares dar. Diese sollen zum einen die Identifizierung und Verlaufskontrollen der Zielläsionen vereinfachen und mittels semiautomatischer mehrdimensionaler Bestimmung der Tumorausdehnung im Sinne einer Volumetrie Messvarianten reduzierten.
Generell bleibt jedoch die Diskrepanz zwischen einer zunehmend individualisierten Therapie und deren Effekten und den bisher etablierten standardisierten Bewertungskriterien bestehen. Im Zuge dieser Entwicklung sei es notwendig, die Kriterien der Therapieevaluation stetig weiterzuentwickeln und die Art des Therapeutikums und die angewandte bildgebende Modalität auf neue interdisziplinäre Aspekte wie Tumorentitäten mit histopathologischen und molekularen Besonderheiten abzustimmen.
Fazit
Für die Evaluation des Therapieansprechens bei Krebspatienten sind standardisierte Bewertungskriterien insbesondere bei Studienpatienten zur interdisziplinären Kommunikation essentiell. Allerdings liegt hierin gleichzeitig die größte Limitation, da jeder Patient einen individuellen Krankheitsverlauf aufweist und es bei zunehmend individualisierten Therapien schwierig erscheint, allgemeingültige Kriterien zu finden.
Die Autoren empfehlen, die etablierten Kriterien als Richtlinie für eine standardisierte Evaluation zu nutzen, jedoch den individuellen radiologischen Befund für jeden Patienten hierdurch nicht zu vernachlässigen. Die Kliniker könnten so auf mögliche Diskrepanzen zwischen Kriterien-„Status“ und klinischem Befund aufmerksam gemacht werden. Die Informationen werden von den Autoren tabellarisch dargestellt und sehr übersichtlich zusammengefasst.
Weitere
Informationen unter:
http://www.eortc.org/investigators-area/recist
http://www.recist.com/index.html
Empfehlenswert:
10 most frequently made mistakes with RECIST 1.1: how radiologists can fail – and how to avoid them (M. Kekelidze, P. lodise, M. Tozakidou et al., ECR 2014)
Revised recist guidline version 1.1: What oncologists want to know and what radiologists need to know (M. Nishino, J. Jagannathan, N. Ramaiya et al., AJR 2010; 195: 281-289)