September 2014: Verlaufskontrolle von komplizierten Nierenzysten (Bosniak Typ IIF)
eine Rezension von PD Dr. med. Diane Renz (Charité Berlin)
Titel: Verlaufskontrolle von komplizierten Nierenzysten (Bosniak Typ IIF) / “Follow-up for Bosniak category 2F cystic renal lesions”
Autoren: Nicole M. Hindman, Elizabeth M. Hecht, Morton A. Bosniak
In: Radiology, September 2014, Band 272, Seiten 757-766
„eine klinisch relevante Studie über einen sicheren Umgang mit den relativ anspruchsvoll zu diagnostizierenden zystischen Nierenläsionen der Kategorie IIF“
Kurzbeschreibung
In der klinischen Praxis können die zystischen Nierenläsionen nach der international anerkannten „Klassifikation nach Bosniak“ in die Kategorien I bis IV eingeteilt werden. Dabei werden bei den Typen I und II keine weitere Diagnostik und Therapie durchgeführt, Läsionen der Kategorien III und IV werden chirurgisch reseziert. Eine Sonderstellung nehmen die zystischen Läsionen der Klassifikation IIF (F steht für „Follow-up“) ein, welche eine Verlaufskontrolle mittels Bildgebung in einem zeitlichen Abstand von in der Regel 6 bis 12 Monaten benötigen. Ein Hauptziel dieser Studie war, die Dauer des Follow-ups zu evaluieren, die ein sicheres Monitoring der Läsionen gewährleistet. Dabei kamen die Autoren zu dem Schluss, dass in der Regel eine bildgebende Verlaufskontrolle der zystischen IIF-Läsionen bis zu einem Zeitraum von 4 Jahren nach ihrer initialen Diagnosestellung zu empfehlen ist.
Hintergrund
Zysten in den Nieren sind die häufigsten Läsionen, die bei radiologischen Nierenuntersuchungen detektiert werden. Zystische Nierenläsionen können nach der international anerkannten „Klassifikation nach Bosniak“ kategorisiert werden. Diese in der klinischen Praxis bewährte Klassifikation stammt von Herrn Prof. Dr. Morton A. Bosniak aus dem Department of Radiology, New York University School of Medicine, erstpubliziert im Jahre 1986 in der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift „Radiology“ und zunächst geltend für die Computertomographie (CT). Anhand der Klassifikation werden die gefundenen Nierenveränderungen in folgende vier Typen eingeteilt: Typ I, eindeutig gutartige, blande Zysten; Typ II, benigne, jedoch etwas komplizierte zystische Läsionen, z.B. mit wenigen, dünnen Septen und/ oder feinen Verkalkungen; Typ III, möglicherweise maligne, komplizierte zystische Veränderungen, z.B. mit Verdickung der Zystenwand und/ oder der Septen, die eine Kontrastmittelaufnahme aufweisen; Typ IV, wahrscheinliche maligne, zystische Läsionen mit irregulären, soliden, kontrastmittelaufnehmenden Gewebeanteilen. Dabei benötigen die Kategorien I und II keine weitere Diagnostik oder Therapie, die Typen III und IV eine chirurgische Resektion.
Im Verlauf ihrer klinischen Anwendung wurde die Bosniak-Klassifikation auf die Magnetresonanztomographie (MRT) übertragen, verbessert und dabei unter anderem um die Kategorie IIF (F steht für „Follow-up“) ergänzt. Dabei handelt es sich um komplizierte zystische Läsionen, die eine bildgebende Verlaufskontrolle benötigen, etwa weil sie Septen mit minimalen Verdickungen, eine gering verbreiterte Zystenwand oder körnige Verkalkungen aufweisen. Die IIF-Läsionen werden in der Regel in einem zeitlichen Abstand von 6 bis 12 Monaten verlaufskontrolliert, um eine Änderung der Zysteneigenschaften oder ein Wachstum auszuschließen. Nicht eindeutig geklärt war in diesem Zusammenhang bislang, wie lange eine bildgebende Verlaufskontrolle dieser IIF-Läsionen nach Diagnosestellung am besten erfolgen soll.
Inhalt
Die Ziele dieser aktuellen Studie, die unter wissenschaftlicher Leitung des Begründers der Bosniak-Klassifikation durchgeführt wurde, waren, das Entartungsrisiko von zystischen Nierenläsionen des Typs IIF und die Dauer des Follow-ups zu bestimmen, welche ein sicheres Monitoring der IIF-Läsionen gewährleistet. In diesem Zusammenhang sollten auch Risikofaktoren für eine maligne Entartung der zystischen Veränderungen der Klassifikation IIF evaluiert werden. Aus einem Datensatz von initial 2435 CT- und MRT-Untersuchungen wurden retrospektiv 156 zystische Nierenläsionen identifiziert, welche der Kategorie IIF zugeordnet wurden und bei 144 Patienten (98 Männern, 46 Frauen; mittleres Alter 63 Jahre) auftraten. Diese Patienten erhielten eine CT- und / oder MRT-Verlaufskontrolle mit Kontrastmittelgabe in einem Zeitraum von länger als 6 Monaten nach der initialen Untersuchung (Mittelwert 4,2 Jahre, Median 3,6 Jahre, Spannweite 0,5 bis 13 Jahre), bei der die Diagnose einer zystischen Läsion des Typs IIF gestellt wurde.
In dem Beobachtungszeitraum veränderten 19 IIF-Läsionen (12,2% von 156) ihre Eigenschaften und wurden daraufhin der Kategorie III oder IV zugeordnet und chirurgisch reseziert. Siebzehn der 19 Läsionen wurden histopathologisch als maligne bestätigt, darunter waren 9 klarzellige Nierenzellkarzinome, 7 papilläre Nierenzellkarzinome und 1 tubulozystisches Karzinom; zwei der 19 Läsionen waren histopathologisch benigne (1 eingeblutete, fibrohyaline Zyste und 1 multilokuläres Zystisches Nephrom). Somit entarteten 17 von 156 IIF-Läsionen (10,9%), wobei die Entartung bei diesen 17 zystischen Veränderungen in einem Zeitraum von 6 Monaten bis 3,2 Jahren (Mittelwert 19,2 Monate) auftrat. Als Risikofaktoren für eine maligne Entartung wurden unter anderem männliches Patientengeschlecht sowie irreguläre Verdickung der Septen und Wand der Zysten identifiziert, verglichen dazu beinhaltet etwa das Auftreten von Verkalkungen ein geringes Malignitätsrisiko.
Die Autoren schlussfolgerten aus diesen Daten, dass im Regelfall eine bildgebende Verlaufskontrolle der zystischen Läsionen des Typs IIF bis zu 4 Jahre nach ihrer initialen Diagnosestellung zu empfehlen ist. Im Einzelfall kann jedoch nach den Angaben der Autoren gerade bei jüngeren Patienten und bei zystischen Läsionen, die bildmorphologische Kriterien mit einem erhöhten Malignitätsrisiko aufweisen, ein längeres Follow-up angemessen sein.
Konzeption und Benefit
Besonders positiv an der Studie zu bewerten ist neben ihrer hohen klinischen Relevanz die gründliche Auswahl der zystischen Nierenläsionen der Kategorie IIF aus dem initialen Datensatz von 2435 CT- und MRT-Untersuchungen. Insgesamt erfolgte die Auswahl mittels dreier Observer, wobei es sich bei einem der drei Reader um Herrn Prof. Dr. Morton A. Bosniak handelt, der der Publikation zufolge über eine Erfahrung von 52 Jahren in der Urogenitalen Diagnostik verfügt. Eine wichtige Limitation der wissenschaftlichen Arbeit ist, dass nur 156 IIF-Läsionen eingeschlossen werden konnten, von denen letztendlich 17 zystische Veränderungen entarteten, so dass sich ein Großteil der Daten auf eine Analyse von lediglich 17 Läsionen stützt. Das retrospektive Studiendesign führt dazu, dass die Follow-up-Untersuchungen in unterschiedlich langen Zeiträumen bei den einzelnen Läsionen durchgeführt wurden. Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass die Rolle der Ultraschalluntersuchung – mit oder ohne Kontrastmittelgabe – bei den bildgebenden Verlaufskontrollen nicht explizit in der Studie evaluiert wurde. Trotz Limitationen bringt die Studie etwas mehr Klarheit in das anspruchsvolle Gebiet eines für den Patienten sicheren Umgangs mit den relativ schwierig zu diagnostizierenden IIF-Läsionen; die Publikation bietet zahlreiche Anregungen für weitere Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet.
Fazit
Die Forschungsarbeit “Follow-up for Bosniak category 2F cystic renal lesions” ist geprägt durch die außerordentliche Erfahrung des Letztautors Prof. Dr. Morton A. Bosniak, des Begründers der nach ihm benannten international anerkannten Klassifikation von zystischen Nierenläsionen. Insgesamt ist die Publikation sehr empfehlenswert, da sie eine hohe klinische Relevanz besitzt.